Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
29. April 2025
Die Luxusbranche ist mit einer schwierigen Konjunkturlage konfrontiert und muss sich mit tiefgreifenden Veränderungen der Kaufgewohnheiten ihrer vermögenden Kunden auseinandersetzen. Dies trifft insbesondere auf jüngere Verbraucher zu, die auf der Suche nach sinnstiftenden Erlebnissen und Emotionen sind. Ihr Verhalten lässt sich als “nicht linearer Luxuskonsum” abseits der herkömmlichen Modelle definieren. Diese Grundtendenz geht aus der Studie “New desires – luxury de-structuring” (Neue Bedürfnisse, Destrukturierung im Luxus) des Marketing-Datenanalyseunternehmens Kantar Insights und des Forschungsinstituts Altiant hervor.
Für die Studie wurden 2025 rund 600 Frauen und Männer in Frankreich, China, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten befragt. Das LuxuryOpinions®-Panel von Altiant umfasst 50 Prozent unter 35-Jährige, die über ein hohes Vermögen verfügen und zu den 10 % bis 1 % der höchsten Jahreseinkommen in ihrem Land zählen.
Erste Erkenntnis: Erlebnisse werden großgeschrieben! “Luxus ist nicht mehr nur ein Statussymbol oder eine Investition, er wird zu einem Erlebnis, das man hier und jetzt konsumieren will”, heißt es in der Studie. Die Analyse befasst sich insbesondere mit den Kaufgewohnheiten der wohlhabendsten jungen Menschen, den sogenannten HNWI (High Net Worth Individuals), die als “Affluents” bezeichnet werden. Menschen in dieser Kategorie “suchen intensive Erlebnisse, ob physisch oder digital, und zeigen eine regelrechte Obsession für Sinneseindrücke”, so die Studie weiter.
Steigende Produktpreise, Greenwashing, aufdringliches Marketing, unethische Praktiken und mangelnde Transparenz haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass Kunden sich von klassischen Premiumprodukten abgewandt haben. Es macht sich eine gewisse Ermüdung bemerkbar, auf die auch Bain & Company im jüngsten Luxusgüter-Branchenbericht hinweist. Wie die Verfasser betonen, geht das Modell “Begehren-Kaufen-Besitzen” nicht mehr auf.
Junge Verbraucher bevorzugen heute Erfahrungen, da sie sich mehr von Reisen, gutem Leben und Wellness angezogen fühlen als vom Luxusprodukt an sich. “Dieser sinnliche Luxus ist ein offener Luxus, der in einem erweiterten Verhältnis zu Spaß, Wohlbefinden und dem Moment gelebt wird”, so die Studie.
“Die Studie bestätigt, dass wir nicht mit einem mangelnden Interesse an Luxus konfrontiert sind, sondern mit einem tiefen Bedürfnis nach Veränderung. Junge ‘Affluents’ hinterfragen den Sinn, wollen Emotionen und Innovation und fordern von den Marken die Fähigkeit, sich neu zu erfinden”, fasst Françoise Hernaez zusammen, die bei Kantar Insights France den Bereich Luxus leitet (Head of Luxury).
Die Banalisierung des Besitzes
Dieser Trend hat sich seit dem Ende der Corona-Krise noch verstärkt. So planen 43 Prozent der Befragten, ihre Wellness-Ausgaben zu erhöhen, 40 Prozent wollen mehr für Hotels und 37 Prozent für Gastronomie ausgeben. Und ganze 84 Prozent sind der Meinung, dass “Luxus vor allem ein unglaubliches Erlebnis in der Verkaufsstelle ist”.
“Marken, die immersive Erlebnisse (phygital, Sinneserfahrungen, Storytelling) bereitstellen und Brücken zwischen den Welten (Mode, Beauty, Gastgewerbe …) schlagen, werden sich durchsetzen. Junge Verbraucher bevorzugen reichhaltige und immersive Inhalte wie Videos von Modenschauen, Handwerkskunst und sogar Informationen über nachhaltige Maßnahmen”, erklärt Cécile Lejeune, Präsidentin von Kantar Insights France.
Eine weitere Praxis, die im deutlichen Gegensatz zum bisherigen Verbraucherverhalten steht, ist die Banalisierung von Besitztümern, ohne jedoch auf den Wunsch nach Luxus zu verzichten. Junge Verbraucher, auch die wohlhabendsten, wenden sich von den traditionellen Luxus-Schnittstellen ab, “zugunsten einer freien und vielfältigen Nutzung”. Sie entwickeln ihre eigene Weise, Luxus zu leben, bis hin zum gemeinsamen Kauf und der geteilten Nutzung eines Luxusguts.
Der Trend hin zu Gruppenkäufen lässt sich insbesondere bei jüngeren Menschen beobachten. Wie auch Secondhand-Käufe, Mietmodelle, “Dupes” – also Imitate bekannter Produkte, die von einer Konkurrenzmarke zu einem günstigeren Preis hergestellt werden – oder auch “Co-Luxing”. “Luxus wird mehr erlebt als erworben”, so die Analyse.
Aus der Studie geht hervor, dass 28 Prozent der Befragten Secondhand-Artikel kaufen (in China 41 Prozent), 20 Prozent mieten Luxusartikel und 17 Prozent praktizieren Co-Luxing, also den gemeinsamen Kauf mit Freunden zur gemeinsamen Nutzung. “Diese neuen Gewohnheiten, die von den Jüngeren initiiert wurden, beeinflussen auch ältere Verbraucher. Das ist ein Zeichen dafür, dass die klassischen Bezugspunkte für Luxus nachhaltig verändert wurden”, erklärt Anne-Lise Toursel, Geschäftsführerin von Kantar Insights France.
Hohe Erwartungen an Innovation und Neuheiten
Nach einer Phase des Aufschwungs verliert der diskrete Luxus zugunsten einer zunehmend personalisierten Luxuserfahrung an Bedeutung. Diese wird von vielfältigen Wünschen und Motivationen geprägt. Das führt zu hohen Erwartungen der Verbraucher an die Marken in Bezug auf Innovation und Neuheiten, insbesondere in China und in den USA.
Gestützt auf die Kaufmotive von Luxuskunden erstellt die Studie eine Liste verschiedener Verbraucher-Profile. “‘Kulturelle Entdecker‘ stehen an erster Stelle (25 Prozent), gefolgt von ‘charismatischen Partygängern’ (20 Prozent), ‘prestigeträchtigen Ehrgeizigen’ (18 Prozent) und ‘ehrlich Engagierten’ … Diese vielfältigen Motivationen eröffnet Marken ein breites Betätigungsfeld, weit entfernt von den Klischees der Generation Z.” Die nicht lineare Organisation der Wünsche zwingt Marken dazu, “aus ihrer starren Segmentierung auszubrechen, um vielfältige Erlebnisse anzubieten”.
Nicht zu vergessen ist das Gewicht dieser Verbraucher in gesellschaftlichen oder ökologischen Fragen. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit sind beispielsweise 67 Prozent der befragten jungen ‘Affluents’ “bereit, eine Marke zu strafen, die in ökologischer Hinsicht versagt”.
Um die neuen Generationen für sich zu gewinnen, müssen Luxusmarken in ihrer Strategie Transparenz, Fantasie und Flexibilität beweisen und ihren Ansatz radikal neu definieren.
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