Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
16. Januar 2025
Das Haus von Karl Lagerfeld kehrte in dieser Saison nach einer fünfjährigen Pause zur Pitti zurück. In Florenz entfaltete das Label seinen Modekosmos mit einer großartigen Performance von Victor Ray.
Die Stimmung war überschwänglich, geschäftig und dadurch etwas unerwartet. Kein Wunder: Während viele Modemarken im vergangenen Jahr vom chinesischen Markt und globalen Unsicherheiten gebeutelt wurden, boomt das Haus von Karl Lagerfeld.
Laut dem dynamischen CEO Pier Paolo Righi konnte die Marke ihre Einnahmen im vergangenen Jahr um 9 Prozent steigern, während viele Konkurrenten rückläufige Ergebnisse erzielten. Das Haus veröffentlicht keine genauen Zahlen zum Jahresumsatz, aber Marktquellen lassen darauf schließen, dass Karl Lagerfeld das Umsatzziel von einer halben Milliarde Euro deutlich überschritten hat.
Mit der neuen Karl Lagerfeld Jeans-Kollektion legte die Marke ein starkes Debüt vor. Mit einer Reihe neuer Verkaufsstellen in Lateinamerika expandierte sie geografisch, aber auch vertikal. Ein neuer Vertrag sieht die Eröffnung eines 61-stöckigen Karl Lagerfeld Hotel & Residences-Turms in Malaysia vor.
Wir trafen uns mit dem energiegeladenen CEO Pier Paolo Righi und sprachen mit ihm, der mühelos Italienisch und Deutsch spricht, über den aktuellen Stand seines Hauses. Die Marke scheint – fünf Jahre nach dem Tod des herausragenden Designers Karl Lagerfeld – in neue Höhen aufgestiegen zu sein.
Fashion Network: Warum haben Sie sich entschieden, in dieser Saison zur Pitti zurückzukehren?
Pier Paolo Righi: Bemerkenswerterweise haben wir diese Entscheidung erst kurz vor Weihnachten getroffen – in letzter Minute. Wir haben seit über fünf Jahren nicht mehr an der Pitti teilgenommen. Aber wir dachten, wir sollten die Marke in ihrer Gesamtheit zeigen. Uns voll und ganz auf ihre DNA konzentrieren.
Also sagten wir: Die Pitti ist im Januar, die Pitti ist in vier Wochen. Packen wir es an! Und die Organisatoren waren sehr offen. Es schien einfach ein guter Zeitpunkt zu sein. Wenn der Markt und die Welt bedrohlich wirken, mit Zuversicht an die Pitti zu gehen und Positivität zu verbreiten. Alle warten ab und beobachten – da ist es gut, einen klaren Standpunkt zu vertreten. Und wir hatten sehr viel zu tun und haben viel positive Rückmeldungen für unsere Teilnahme erhalten.
FN: Welche Markenbotschaft möchten Sie vermitteln?
PPR: Wir zeigen all unsere Facetten, mit einer Stimme. Wir haben große Fortschritte gemacht und Karl Lagerfeld in vielen Kollektionen deutlich weiterentwickelt. Es ist gut, das alles hier zusammenzubringen.
FN: Warum ist dies der richtige Zeitpunkt für ein immersives Erlebnis?
PPR: Das ergibt sich aus unserem Live-Act – Victor Ray. Karl ging es nicht nur um die Mode, sondern immer auch um Künstler und begabte Menschen, die gemeinsam besondere Momente schaffen. Die Mode ist ein Mittel, um dies zu erreichen, und mit Victor ergab sich ein großartiger, packender Moment.
FN: Warum wollten Sie unbedingt mit Victor Ray zusammenarbeiten?
PPR: Wir haben mit ihm bei einigen Veranstaltungen in Berlin zusammengearbeitet und er konnte die Aufmerksamkeit des Publikums im Handumdrehen auf sich ziehen! Victor ist ein junges, aufstrebendes Talent, er hätte Karl gefallen. Er ist ein großartiger Botschafter.

Natürlich arbeiten wir auch mit Sébastien Jondeau und Amber Valletta zusammen, sie sind Freunde der Marke und der Familie. Neu auch mit Calum Harper, einem Content Creator auf TikTok. Wir wollen ein Familienunternehmen bleiben und an Karls Leben und Werk anknüpfen. Und mit Menschen arbeiten, die er ausgewählt hätte, wenn er heute noch am Leben wäre.
FN: Welche neuen Collaborations sind in Vorbereitung?
PPR: Weniger Co-Branding und mehr Hotel-/Wohnprojekte, wobei mehrere bereits in Planung sind. Unser bestes neues Projekt ist jedoch Karl Lagerfeld Jeans. Der Umsatz hat sich im letzten Jahr verdoppelt! Wir haben ein eigenes Designteam unter der Leitung von Kreativdirektor Hun Kim mit Sitz in Amsterdam. Karl trug oft Jeans und es ist ein Produkt, das uns selbstverständlich scheint. Wir wollten seine Liebe zu schwarz-weißem Denim zum Ausdruck bringen, mit Skinny Jeans für ihn und sie, mit fließenden Übergängen.
Der Vertrieb der Kollektion ist sehr unterschiedlich, wie auch das Ladenkonzept. Karl Lagerfeld Jeans hat vor rund einem Jahr den ersten Laden in Madrid eröffnet. Und es werden weitere Franchise-Stores folgen, darüber hinaus nehmen wir Jeans in unsere Flagship-Stores auf, etwa an der Regent Street.
Die Preisposition ist zugänglicher – Jeans kosten zwischen 120 und 190 Euro – etwa 25 Prozent weniger als die Entwürfe der Hauptlinie. Das gab uns die Möglichkeit, die Hauptlinie in Bezug auf Ästhetik und Raffinesse weiterzuentwickeln und ausgefallenere Jeans zu gestalten.
Ich denke, die meisten dieser Jeans hätten Karl gefallen, er hätte sie bestimmt getragen!
FN: Welche Auswirkungen hatte die TV-Serie “Becoming Karl Lagerfeld” auf die Marke?
PPR: Eine positive Wirkung. Es ist schwer zu sagen, wie sehr, aber es hat die Aufmerksamkeit auf die Marke gelenkt.
Sie fand vor allem bei einem jüngeren Publikum Anklang und sie an Karls Geschichte und seinen Aufstieg in den 60er- und 70er-Jahren erinnert. Wir konnten verfolgen, wie die Klicks und Suchanfragen rasant anstiegen.
FN: Karl hatte sowohl mit Chanel als auch mit Fendi einen unglaublichen Erfolg im Handel, doch seine eigene Marke erzielte eher Achtungserfolge. Ich persönlich habe über drei Jahrzehnte hinweg drei Artikel über den Verkauf der Marke geschrieben, zunächst in den 80er Jahren, als die Zahlen nicht gut waren. Was waren die wichtigsten Schlüssel, um das Haus in ein rentables Label zu verwandeln?
PPR: In einem meiner ersten Gespräche mit Karl sagte er etwas Grundlegendes hierzu. Es waren zwei Hauptargumente. Er sagte: “Als ich für Chanel und Fendi gearbeitet habe, musste ich ihre Marke interpretieren. Dieses Haus muss meinen eigenen persönlichen Geschmack widerspiegeln”. Und dann sagte er: “Ich möchte die Marke zugänglich machen – und die Menschen miteinbeziehen”. Um uns von anderen abzuheben, war es also wichtig, dass sich die Menschen in der Welt von Karl willkommen fühlen.
FN: Die meisten Modemarken mussten in den letzten zwei Jahren Umsatzeinbußen hinnehmen. Wie erging es KL?
PPR: Das Marktumfeld war schwierig. Aber die Art und Weise, wie wir uns positioniert haben und zugänglich blieben, zahlt sich aus. Im vergangenen Jahr sind unsere Jahreseinnahmen um 9 Prozent gestiegen. Wir veröffentlichen keine genauen Verkaufszahlen, aber ich kann sagen, dass die Marke weltweit einen Umsatz von EUR 1,5 Milliarden pro Jahr erzielt, wenn man die Lizenzen einbezieht.
Die wichtigsten Wachstumstreiber waren Jeans und der digitale Bereich. Da Karl Lagerfeld weltweit bekannt ist, können wir auf dem globalen Markt agieren. Im digitalen Bereich verzeichneten wir ein solides zweistelliges Wachstum. Der Kanal macht heute 30 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Auch wenn die Margen nicht viel besser sind als im stationären Handel.

Dann ist da auch die Franchisetätigkeit in neuen Regionen wie Lateinamerika, wo wir Ableger in Ländern wie Guatemala, Ecuador oder Mexiko eröffnet haben. Sechs in diesem Jahr und 2025 acht weitere in Lateinamerika.
Und wir sind weiterhin sehr aktiv im Gastgewerbe. Das erste Karl-Lagerfeld-Wohnkonzept in Spanien wird Ende dieses Jahres eröffnet. In Dubai entwickeln wir eine Community mit 50 Villen. Dabei arbeiten wir mit One Atelier zusammen, einer Architektengruppe mit Sitz in Mailand. Sie gestaltet ganze Gebäudekonzepte und bezieht in unseren Projekten auch eine Karl-Lagerfeld-Möbellinie ein. Das genaue Aussehen ist projektabhängig. In Dubai ist die Ausführung sehr brillant und zeitgenössisch. Die Inspiration stammt von Karls Büro in der Rue St. Guillaume. Ich nenne es ‘Haussmann’-Architektur für das 21. Jahrhundert!
In Macao haben wir das luxuriöse Karl Lagerfeld-Hotel eröffnet, für dessen Design wir mit Preisen ausgezeichnet wurden. Und in Malaysia errichten wir ein Karl Lagerfeld Hotel- und Wohnkonzept in einem 61-stöckigen Turm in Malakka, der 2030 eröffnet werden soll. Bei jedem dieser Projekte handelt es sich um eine Mischung aus Design und Markenlizenz. Dadurch erschließen wir neue Einnahmen. All dies verleiht der Marke eine andere Dimension. Mehr als Kleidung, ein Lebensgefühl. Das ist es, was die Menschen sehen, wenn sie an die Marke denken.
FN: Ich habe gelesen, dass Karl bei der Gründung seines Hauses im Jahr 1984 sein Konzept als “intellektuelle Sexyness” bezeichnete. Wie lautet Ihre Definition der Karl-Lagerfeld-DNA?
PPR: Das gefällt mir! Ich würde heute in einem Satz sagen: Sei, wer du sein willst. Es geht darum, alle einzubeziehen und sie zu befähigen, sich so auszudrücken, wie sie sein wollen.
FN: Wie sieht Ihr wöchentlicher Tagesablauf aus?
PPR: Ich pendle zwischen München, Amsterdam und Paris. Jeden Monat reise ich irgendwohin, sei es nach Asien oder in die USA, wo die G3 Group ihren Sitz hat. Sie ist seit drei Jahren Eigentümerin der Marke. Wir waren bereits miteinander vertraut, da sie zuvor 20 Prozent der Marke besaßen. Jetzt kontrollieren sie 100 Prozent davon.
Die Zusammenarbeit mit CEO Maurice Goldfarb läuft sehr gut. Er ist neben Warren Buffet der am längsten amtierende CEO eines börsennotierten Unternehmens. Sein Vater hat das Unternehmen gegründet. Es ist zwar börsennotiert, wird aber mit sehr unternehmerischen Werten geführt, was mir sehr zusagt.
FN: Was würde Karl von seiner Marke halten, wenn er noch am Leben wäre?
PPR: Sein Leitsatz lautete: Die Gegenwart annehmen und die Zukunft erfinden. Er würde sagen, dass wir dieses Mantra fortsetzen.
Was würde er empfinden? Er hat es einmal zu Lebzeiten zum Ausdruck gebracht. Jedes Jahr kam er zu unserer Weihnachtsfeier in Paris – anfangs waren es 20 Personen und am Ende dann in Amsterdam um die 600. Und ich erinnere mich, dass er mir sagte: “Ich komme immer gerne zu euren Partys, weil ich so viele lächelnde Gesichter und so viel Positivität sehe”. Und das ist für mich das größte Kompliment. Das würde er auch heute so empfinden, wo wir, inkl. Verkaufspersonal, fast 1000 Menschen sind.
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