Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
11. März 2025
Am Montag offenbarte die Paris Fashion Week mit drei Kollektionen stilistische Gegensätze. Louis Vuitton setzte auf Professionalismus, Gabriela Hearst gab sich engagiert und Zimmermann cool.
Trans-Euro Vuitton
Bei Vuitton lud Kreativdesigner Nicolas Ghesquière seine Gäste am Montagabend auf eine neue Reise ein. Treffpunkt: ein virtueller Bahnhof neben dem Gare du Nord.
Hier enthüllte er seine jüngste Mischung aus Futurismus, Aktivsport, Funktionsmaterialien und augenzwinkerndem Humor vor einem Publikum von 400 Personen.
Er erntete anhaltenden Applaus für seine Kollektion, die wohl als eine seiner besten für Vuitton gewertet werden darf. Zum Abschluss umarmte er First Lady Brigitte Macron, während er über den Laufsteg ging.
Seine lange und energiegeladene Kollektion zeigte er vor einer Schaar von Filmstars, die in der ersten Reihe saßen – Saoirse Ronan, Alicia Vikander, Lea Seydoux, Jennifer Connelly und Emma Stone.
Von Anfang an wagte er bei jedem Look Neues: in Form von Lotusblüten geschnittene Ledershorts wie Kiku-Bachi-Becken, dazu transparente Latex-Mäntel. Latex-Overall kombiniert mit roten Velourshemden, grafische Anoraks mit Vuitton-Logos, die an Straßenschilder erinnerten oder Tartan-Decken, die vorzüglich als sexy After-Hour-Saris drapiert wurden. Für den Abend zeigte Ghesquière Strickkleider aus hauchdünnem Chiffon, die an Samurai-Rüstungen erinnerten.

Die Models eilten durch den großen dreieckigen Raum, als müssten sie unbedingt einen Zug erwischen oder einen Liebhaber verabschieden, der übers Wochenende verreist. Die geladenen Gäste saßen derweil auf Metallsitzen.
Auch die Taschen waren etwas ganz Besonderes – Geigen- und Mandolinenetuis im Damier-Print sowie doppelte Schultertaschen mit Vuitton-Monogramm, die wie ein irischer Dudelsack um die Taille gebunden werden. Dasselbe gilt für die neuesten Schuhmodelle des Designers, die mit High Heels ausgestattet waren bzw. die Chelsea-Stiefel mit 5-cm-dicken Sohlen. Weiter entwarf Nicolas Ghesquière coole neue Stiefel mit integrierten Ballerina-Socken.
“Die lebendige Atmosphäre eines Pariser Bahnhofs nachzubilden – wo Fremde flüchtige Momente teilen und ein Teppich aus Geschichten gewoben wird”, erklärte Ghesquières.
Nun, es mag ein flüchtiger Moment gewesen sein, doch sorgte er für ein starkes Modestatement.
Gabriela Hearst: Nett und neolithisch
Gabriela Hearst ist eine Einwanderin in den USA. Sie kann von sich behaupten, dass sie ihren Ursprung nie vergessen hat – und dass andere Menschen wie sie denselben Weg gehen werden.

Als die Gäste ihre Show im Palais de Tokyo verließen, wurde ihnen ein Flugblatt der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU ausgehändigt. Darin erklärte die Organisation den richtigen Umgang mit Beamten der US-Einwanderungs- und Zollbehörde, wenn sie am Arbeitsplatz oder zu Hause anklopften.
Der Flyer mit dem Titel “Die eigenen Rechte kennen” bietet präzise Rechtsberatung zum Umgang mit der Einwanderungs- und Zollbehörde. Dieses Schreckgespenst aller US-Einwanderer heißt kurz “ICE” – was mehr als tausend Worte sagt.
Zurück im Inneren kam das Publikum in den Genuss einer raffinierten, ausgewogenen und coolen Kollektion von Hearst, die sich von der Symbolik der Göttinnen inspirieren ließ. Alte und neolithische Zeichen – Spiralen, Zickzackmuster und Schlangenmotive – führten wie ein roter Faden durch die Kollektion, in der Überzeugung, dass diese abstrakten Motive die Rolle der Frau als Beschützerin und Ernährerin der Menschheit untermauern.

Daraus schuf sie einige großartige Looks: Zum Auftakt der Show eine Reihe starker Leder-Mäntel und -Jacken, oft mit zotteligem oder geschorenem Lammfell-Besatz. Nur wenige Designer drapieren oder schneiden Leder so gekonnt wie Gabriela. Als Tochter eines uruguayischen Viehzüchters liegt ihr das vermutlich im Blut. Ihre scharf geschnittenen Blazer und Hemden, die weit ausgestellten Röcke und die brillanten, gerafften Cocktailkleider waren ausgezeichnet.
Gabriela Hearst blickt auf eine arbeitsintensive Saison zurück, in der sie unter anderem ein luxuriöses Pop-up-Restaurant im Bristol Hotel eröffnete. Das Restaurant ist insgesamt sieben Monate lang geöffnet, genauer gesagt bis am 1. November 2025.
Zum krönenden Abschluss der Show verneigte sie sich unter großem Applaus mit einer ACLU-Mütze. Ein Zeichen ihres Humanismus.
Zimmermann: Picknick im Petit Palais
Eine der erfolgreichsten Marken der jüngeren Modegeschichte ist das Haus Zimmermann. An einem kühlen Montag präsentierte es in Paris eine verführerische Interpretation von Haute-Bohemian-Chic.

Die anfängliche Begeisterung, die Nicky Zimmermann vor einem Jahrzehnt in New York auslöste, mag sich inzwischen wieder gelegt haben, aber sie erfindet ihren optimistischen australischen Stil immer wieder neu.
Für den nächsten Herbst bietet sie ihren Fans durchsichtige, gerüschte Chiffon- und Organzakleider. Halbtransparent, mit viel Unterwäsche darunter, dazu große, schwere Stiefel, auf Knöchelhöhe mit gewebten Lederriemen verziert.
Die Inspiration für ihre Herbstkollektion “Hypnotic” stammt von einem der bedeutendsten Filme Australiens: Dem unheimlichen viktorianischen Kriminalfilm “Picknick am Valentinstag”, der vom Verschwinden von drei Schülerinnen und einer Lehrerin handelt.
“Picknick am Valentinstag feiert dieses Jahr das 50. Jubiläum … Unsere Kollektion wird, wie der Film, von einem geheimnisvollen Geist und den eindringlichen, ätherischen und romantischen Qualitäten eines Traums in einem Traum geleitet”, erklärte Designerin Nicky Zimmermann.

Dafür setzte sie auf Victoria-Guipure und Spitze, dramatische Silhouetten, staubige Outback-Farben aus der australischen Natur, Karten von Mount Macedon und die Schürzen von Schuluniformen.
Alles in allem eine sehr bewegende Kollektion, die im Petit Palais mit Witz und Elan inszeniert wurde. Unter den Zuschauern befanden sich in der ersten Reihe Kinostars wie Katie Holmes und Rose Byrne.
Neben ihnen Dutzende von Einkäufern, die alle sehr zufrieden aussahen. Das jüngste Beispiel für das Erfolgsrezept von Zimmermann – lässig und doch kommerziell. Anders als das Internat in “Picknick am Valentinstag”, das aufgrund des Skandals bankrottging, boomt Zimmermann auch weiterhin.
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