Modeeinkäufer der Pariser Kaufhäuser zwischen kreativer Vision und Budgeteinschränkungen


Übersetzt von

Aline Bonnefoy

Veröffentlicht am



21. Mai 2025

Während die Verbraucher inspirierende und nahtlose Einkaufserlebnisse erwarten, intensivieren die Pariser Kaufhäuser ihre Bemühungen, um ein optimales Angebot zu gestalten. Die alteingesessenen Akteure festigen ihre Vormachtstellung, während internationale Kunden auf der Suche nach hochwertigen Angeboten sind. In diesem Rahmen spielen die bekannten Kaufhäuser eine wichtige Rolle als Enabler für aufstrebende Marken und etablierte Labels. Diese Arbeit wird von den Einkaufsteams geleistet. Sie bereiten die Saison im Detail vor, bevor sie an den Fashion Weeks teilnehmen, um am Puls der Zeit zu spielen und maßgeschneiderte Entscheidungen zu treffen. Dabei streben sie ein Gleichgewicht zwischen Neuheiten und bewährten Elementen an. Aber wie identifizieren ihre Einkaufsteams die stärksten Kreationen einer Saison? Wie stellen sie ein Angebot zusammen, das sowohl der Identität ihres Hauses als auch den neuen Wünschen der Verbraucher entspricht? FashionNetwork.com hat die Einkaufsleiter von Le Printemps, La Samaritaine, Le Bon Marché und Galeries Lafayette Haussmann getroffen.

Die Arbeit der Kaufhaus-Teams beginnt mehrere Wochen vor den Modenschauen – Shutterstock

Erste Erkenntnis: Die Fashion Weeks ziehen die ganze Welt in ihren Bann, doch für die Einkäufer beginnt die Arbeit schon viel früher. “Die Vorbestellungen laufen in der Regel Ende November oder Anfang Dezember an. Früher war es im Januar, das war ein sehr enger Zeitplan, aber seit einigen Jahren streut sich das mehr, wodurch diese Phase weniger intensiv ist”, erklärt Alix Morabito, Leiterin des Modeangebots bei Galeries Lafayette.
 
Konkret ist die Saison ausschlaggebend. Bei La Samaritaine werden 60 bis 70 Prozent des Budgets für Precollections aufgewendet, während 20 bis 25 Prozent für Modenschauen vorgesehen sind, wie Victoria Dartigues erklärt. Jedes Element hat eine klar definierte Funktion. “An den Modenschauen können wir einer Marke und der Vision ihres Kreativdirektors für die Kollektion auf den Puls fühlen”, erklärt Maud Barrionuevo, Geschäftsführerin für das Produktsortiment von Le Printemps. “Sie kommen später in die Läden und das Angebot ist in der Regel weniger umfangreich als bei den Vorkollektionen”.

“Die Vorbestellung ist eine Business-Phase: Wir schauen uns die Kollektion genau an, versuchen Trends vorzugreifen und neue Marken zu entdecken. Während der Modenschauen bestätigen wir unseren ersten Eindruck und fühlen die Energie der Kollektionen”, bestätigt Alix Morabito. “Ob vor oder während der Fashion Week, das Team muss alles sehen. Es geht nicht nur um den Einkauf, sondern auch darum, die Marken zu treffen und über ihre Produkt- und Marketingstrategien zu sprechen. So können wir die Entwicklungen des Marktes vorwegnehmen und nah an dieser Kreativität und an den Erwartungen der Verbraucher bleiben.”

Maud Barrionuevo, Geschäftsführerin für das Produktsortiment von Le Printemps
Maud Barrionuevo, Geschäftsführerin für das Produktsortiment von Le Printemps – Printemps

Um Mikrotrends zu erfassen, müssen sich die Teams der großen Kaufhäuser besonders gut organisieren. Für Le Printemps betont Maud Barrionuevo, wie wichtig es ist, “die Teams je nach den gewählten Marken zu rotieren”, um eine einheitliche Sicht der Saison zu gewährleisten und gleichzeitig ein ausgeprägtes Know-how zu bewahren.

Bei La Samaritaine, die zu LVMH gehört, betont Victoria Dartigues die Bedeutung einer guten Vorbereitung: “Wir analysieren viel über BOF, WWD oder FashionNetwork.com, aber vor allem optimieren wir unsere Präsenz in den Showrooms”.
 
Bei Galeries Lafayette hat sich die Organisation an den rasanten Rhythmus der Kollektionen angepasst. “Jeder Einkäufer verfolgt die Fashion Weeks entsprechend seinem Markenportfolio, wodurch ein breites Spektrum abgedeckt und gleichzeitig ein fachkundiger Ansatz gewährleistet wird”, erklärt Alix Morabito, Leiterin des Modeangebots.
 
Das Kaufhaus Le Bon Marché, das 1852 in Paris gegründet wurde, setzt wiederum auf anhaltende Präsenz. “An jeder Fashion Week ist immer mindestens eine Person vor Ort”, erklärt Isabelle Fine, die die Womenswear-Abteilung leitet. “Nach den Modenschauen treffen wir uns mit den anderen Einkäufern, um Bilanz zu ziehen. Wir geben unsere Bestellungen etwa eine Woche nach dem Ende des Marathons auf. Wir fassen die wichtigsten Trends zusammen und bei wem wir sie entdeckt haben. Jeder von uns hat sein eigenes Gespür, seinen eigenen Blick”, so Isabelle Fine weiter.

Die Teams versuchen, möglichst viele Kollektionen zu sehen, um alle Trends zu erkennen
Die Teams versuchen, möglichst viele Kollektionen zu sehen, um alle Trends zu erkennen – DR

Dieser kollektive, strukturierte Ansatz soll es den Teams ermöglichen, starke Trends in Echtzeit zu erkennen, die kreativen Akzente einer Saison zu spüren und  Veränderungen im Konsumverhalten zu antizipieren.
 

Von der kreativen Vision zur Budgetgestaltung

 
Es reicht jedoch nicht aus, die richtigen Signale zu erkennen: Die größte Herausforderung besteht nach wie vor darin, kreative Intuition in ein solides Geschäftsmodell umzusetzen. “Wir arbeiten an vorab definierten Zielen: Marken, die es zu erkunden gilt, Kategorien, die gefördert werden müssen und Bereiche, die zu ergänzen sind”, erklärt Maud Barrionuevo. Es wird abgewogen zwischen der Konsolidierung des bestehenden Angebots und der Suche nach Neuheiten, um eine Kundschaft anzusprechen, die Emotionen sucht, aber auch qualitätsbewusst ist.
 
“Heute wollen Kundinnen ein Investitionsprodukt: schöne Stoffe, makellose Schnitte und eine gewisse Langlebigkeit”, bestätigt Victoria Dartigues für La Samaritaine. “Aber man muss auch Überraschungen und Entdeckungen bieten. Deshalb behalten wir immer einen Teil des Budgets, als “Puffer”, um Gelegenheiten im Showroom zu nutzen”, erklärt sie.

Alix Morabito, Einkaufsleiterin Womenswear für Galeries Lafayette
Alix Morabito, Einkaufsleiterin Womenswear für Galeries Lafayette – Galeries Lafayette

Bei Galeries Lafayette Haussmann betont Alix Morabito das konsistente Einkaufsverhalten: “Wir legen ein Budget pro Marke und Kategorie fest, mit einer sehr genauen Aufteilung zwischen der Breite und Tiefe des Angebots. Jede Auswahl muss einem sehr genauen Muster entsprechen: Produktarten, Größen, Mix aus langfristigen und saisonalen Artikeln.” Ein strenger Auswahlprozess, um das Gleichgewicht zwischen kreativen Neuerungen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu gewährleisten.
 

Showrooms: Die Stunde der Entscheidungen

 
Nach den Modenschauen stehen die konkreten Entscheidungen an. In den Showrooms arbeiten die Teams daran, die großen Inspirationen der Saison in eine sorgfältig ausgewählte Kollektion umzusetzen, die maßgeschneidert auf ihre Kundschaft ausgerichtet ist. “Die Modenschauen geben den Ton an und vermitteln einen klaren Eindruck von der Vision des Kreativdirektors, aber erst in den Showrooms nimmt die Saison wirklich Gestalt an. Vor Ort ist die Aufmerksamkeit, die den Kleidungsstücken und Details geschenkt wird, eine andere. Ich würde sagen, die Show ist ein Erlebnis, während der Showroom eher der Realität des Einkaufsverhaltens entspricht, mit einer anderen Arbeitsweise und Analyse”, resümiert Isabelle Fine für Le Bon Marché.
 
Dort werden die Kollektionen ausführlich präsentiert, und die Einkäufer müssen ihre Auswahl verfeinern: Welche Stücke aus der Modenschau sollen aufgenommen werden? Welche verkaufsstarken Modelle werden gewählt, um für eine optimale Dynamik in den Verkaufsstellen zu sorgen? “Wir schauen uns alles an: vom Styling über die Models bis hin zur Inszenierung der Show, aber im Showroom suchen wir nach konkreten Varianten für unsere Kundinnen”, erklärt Alix Morabito. Sie erinnert weiter daran, dass einige sehr kreative Stücke, die auf dem Laufsteg zu sehen sind, “oft erst später und in begrenzter Stückzahl erhältlich sind”, während die Vorkollektionen den Großteil des Umsatzes ausmachen.

La Samaritaine
La Samaritaine – Samaritaine Pont Neuf

Bei La Samaritaine kommt dieser Schritt einem Marathon gleich. “Während der Showrooms ist der Arbeitsrhythmus intensiv mit bis zu zehn Terminen pro Tag. Dazu stehen die Teammitglieder im ständigem Austausch über WhatsApp, um die Auswahl zu verfeinern”, beschreibt Victoria Dartigues. Auch wenn die persönlichen Lieblingsstücke bei der Auswahl eine Rolle spielen, liegt der Fokus stets auch auf der ‘richtigen’ Wahl … und dem richtigen Preis. Bei Le Printemps beschreibt Maud Barrionuevo eine systematische Überprüfung: “Jede Auswahl wird genau unter die Lupe genommen, um sicherzustellen, dass das Gleichgewicht zwischen kreativer Vision und finanziellen Zielen stimmt.”
 

Kaufhäuser und Design: Ein wichtiger Balanceakt

 
In einer Zeit, in der kreative Mode mit konsolidiertem Ultra-Luxus und schnellem Trend-Ablauf konfrontiert wird, spielen Kaufhäuser eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen künstlerischem Elan und Marktgegebenheiten.
 
Die Zahl unabhängiger Mode-Concept-Stores ist zwar drastisch zurückgegangen, doch zählen sie zu den letzten Orten, an denen sich junge Designer präsentieren können. Der Druck der großen Luxusmarken, die immer mehr Fläche beanspruchen und mit denen die Kaufhäuser im Dialog stehen, um ein auf ihre Kundschaft zugeschnittenes Angebot zu entwickeln, ist jedoch deutlich zu spüren. Die Herausforderung ist nicht nur kultureller, sondern auch wirtschaftlicher Natur. “Als Einkäufer sind wir ständig auf der Suche nach dem, was unsere Kunden in der nächsten Saison überraschen und begeistern wird. Man muss sie überraschen und ihnen immer neue Gründe geben, in die Läden zu kommen”, fasst Victoria Dartigues zusammen.

Isabelle Fine
Isabelle Fine – Le Bon Marché

Bei Les Galeries Lafayette ist diese Vorgabe umso wichtiger, als der Flagship-Store am Boulevard Haussmann ein Schaufenster für die ganze Welt ist und Kunden aus Europa, Asien und dem Nahen Osten anzieht. “Wir passen unser Angebot auch an die einzelnen Verkaufsstellen an: Ein Store in der Provinz hat nicht dieselben Bedürfnisse wie Paris Haussmann”, erklärt Alix Morabito. Sie betont die Notwendigkeit einer klaren und zielgerichteten Strategie. “Wenn wir uns entscheiden, einen jungen Designer aufzunehmen, ist das nie nur ein Testlauf. Wir verpflichten uns über mehrere Saisons hinweg. Es braucht Zeit, bis sich eine Marke etabliert: manchmal zwei, drei Saisons, bevor sichtbare Ergebnisse zu sehen sind …
 
“Unser Ziel ist nicht, ausschließlich den Trends zu folgen. Wir müssen auch anders und einzigartig sein, mit unseren eigenen Vorlieben. Deshalb analysieren wir alle neuen Marken, die wir in den verschiedenen Kategorien aufnehmen möchten. Für Jungdesigner, die jede Saison exklusiv vorgestellt werden, erfolgt die Auswahl vor einem Validierungsausschuss, in dem jeder Einkäufer seine Favoriten vorschlägt. Dort werden die Neuzugänge beschlossen”, erklärt Isabelle Fine von Le Bon Marché.
 
Ein fragiles Gleichgewicht zwischen kreativer Vision und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. In diesem Rahmen leisten die Pariser Kaufhäuser ihren Beitrag zum Gleichgewicht zwischen einem Angebot, das viele internationale Verbraucherprofile ansprechen kann, und den Akteuren einer zeitgenössischen Mode, die sich ständig neu erfindet.

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