Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
19. Juni 2025
Konjunkturabschwung, Handelskrieg, geopolitische Spannungen, Marktvolatilität … Zum ersten Mal ist das Vertrauen der Verbraucher in Luxusgüter auf globaler Ebene erschüttert, was sich stark auf den Umsatz der Branche auswirkt. In Mailand präsentierte Bain & Company in Zusammenarbeit mit der italienischen Altagamma-Stiftung seinen neuen Branchenbericht. Demzufolge verzeichnet der Luxusmarkt den ersten großen Einbruch seit fünfzehn Jahren (Corona-Pandemie ausgenommen), d. h. seit der Weltwirtschaftskrise 2008–2009. Die Branche ist stark von der aktuellen globalen Unsicherheit betroffen.
Der Luxusmarkt insgesamt (Hotels, Automobile usw.) steht für einen Umsatz von EUR 1.500 Milliarden. “Zwischen 2019 und 2024 verzeichnete die Branche einen Anstieg um rund 28 Prozent, wodurch wir das Niveau vor der Pandemie wieder deutlich übertreffen”, erinnert Matteo Lunelli, Präsident von Altagamma. Allein das Segment der Luxusgüter, das Mode, Lederwaren, Schmuck, Uhren und Schönheitsprodukte umfasst, erzielte 2024 ein Umsatzvolumen von EUR 364 Milliarden. Nach der Coronazeit lag er 2023 noch bei EUR 369 Milliarden. Nach einem durchschnittlichen Wachstum um 6 Prozent zwischen 1996 und 2019 und 5 Prozent von 2019 bis 2024 schrumpfte die Branche 2024 bei aktuellen Wechselkursen um 1 Prozent. Dieser Trend setzt sich im ersten Quartal 2025 mit einem erwarteten Rückgang zwischen -1 und -3 Prozent fort.
Das deutlich stärkere vierte Quartal 2024 ließ die Branche auf eine Erholung hoffen, doch dann begann der Markt im Premiumsegment zu schwächeln. Nach dem von US-Präsident Donald Trump verkündeten “Liberation Day” verschlechterte sich die Lage mit der Ankündigung hoher Strafzölle weiter.
“Im vergangenen Jahr sprachen viele von einer bevorstehenden Erholung, aber der Markt blieb träge. Dennoch gelang es einigen Marken, besser abzuschneiden als andere. Der allgemeine Preisanstieg bei Luxusgütern führte zu einem Rückgang der Absatzmengen und der Kundenzahlen. Die von den reichsten Kunden getätigten Käufe reichten nicht aus, um die Bilanz auszugleichen”, analysiert Claudia D’Arpizio, Partnerin bei Bain & Company und Mitautorin des Berichts.
Die Marktakteure sind nicht nur mit einem schwindenden Verbrauchervertrauen konfrontiert, sondern auch mit der wachsenden Ernüchterung der jüngeren Generationen hinsichtlich des Luxusangebots. Dieser Trend, der insbesondere die Generation Z erfasst hat, stellt das über Jahre hinweg etablierte Gleichgewicht zwischen Preis und Markenwert in Frage. Immer mehr junge Kunden hinterfragen auch ihre Beziehung zu Luxus, so der Bericht.
“Parallel dazu war ein starker externer Gegenwind zu beobachten, der die ohnehin schon sehr instabile Lage weiter verschärfte. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern sich die Strafzölle auf das Wachstum verschiedener Länder, die Börsen und das Verbrauchervertrauen auswirken werden. Der Markt ist völlig abhängig von diesen Turbulenzen und den wirtschaftlichen Entwicklungen. Die aktuelle Situation verschärft somit die bereits 2024 beobachtete Schwäche. Der Luxusmarkt befindet sich also seit zwei Jahren auf Talfahrt”, so die Analystin.
Prognostizierter Umsatzrückgang um 2 bis 5 Prozent für 2025
Für das laufende Jahr erstellt das Beratungsunternehmen drei Szenarien. Das wahrscheinlichste geht von einer anhaltenden Konjunkturabschwächung mit einem Umsatzrückgang zwischen 5 und 2 Prozent aus. Das optimistischste Szenario geht von einer Erholung aus und rechnet mit einer Marktschwankung von -2 bis +2 Prozent. Die pessimistischste Prognose schließlich sagt einen deutlichen Einbruch der Nachfrage voraus, der zu einem Umsatzrückgang von -9 bis -5 Prozent führt.

Geografisch betrachtet sind die wichtigsten Luxusmärkte besonders betroffen. Die zwei Schwergewichte stagnieren – Festlandchina steht weiter unter Druck und die USA schreiben erneut rote Zahlen. Doch auch in Europa und Japan verlangsamt sich das Wachstum. Seit Jahresbeginn sind die Verkäufe von Luxusgütern auf dem US-Markt rückläufig, während das Reich der Mitte bereits das sechste Quartal in Folge ein Minus verzeichnet. “Die Zollfrage hat die ohnehin schon schwache chinesische Wirtschaft zusätzlich belastet. In einem Umfeld, in dem junge Menschen zum ersten Mal mit Arbeitslosigkeit konfrontiert werden, will die Regierung kein protziges Verhalten auf Verbraucherseite. So verzichten diese, selbst wenn sie wohlhabend sind, auf den Kauf von Luxusgütern”, wie Claudia D’Arpizio erklärt.
Dennoch gibt es auch Lichtblicke. Einige Märkte entwickeln sich gestützt auf das Wachstum der Mittelschicht gut. Zu ihnen zählen der Nahe Osten, Lateinamerika – allen voran Mexiko –, Südostasien mit Indien, Vietnam, Thailand und den Philippinen. Doch können diese Absatzmärkte das Gewicht der USA und Chinas nicht ausgleichen, zumal der Tourismus weiterhin stagniert. Um diese neuen Verbrauchergruppen zu erreichen, müssen sich die Unternehmen mit gezielteren und erschwinglicheren Produkten anpassen.
“Positiv ist, dass die Verbraucher wieder in die Stores zurückkehren wollen, um Luxusprodukte zu kaufen – allerdings nicht zu unerschwinglichen Preisen. Die Erwartungen an die neuen Creative Directors vieler Modehäuser sind hoch. Die Verbraucher wollen wieder von den Marken umworben und angesprochen werden”, betont die Analystin. Tatsächlich bleiben die Grundfaktoren für ein langfristiges Wachstum solide. Sie stützen sich auf ein potenzielles Wachstum der Konsumentenbasis für Luxusgüter durch das Wachstum der Mittelschicht. Zwar hat der Markt 2024 50 Millionen Kunden verloren. Aber laut Schätzungen von Bain & Company dürfte er innerhalb von fünf Jahren mehr als 300 Millionen neue Verbraucher hinzugewinnen, von denen mehr als die Hälfte den Generationen Z und Alpha angehören dürfte.
Es ist an der Luxusindustrie, ihre Prioritäten zu überdenken und statt kurzfristige Strategien zu verfolgen, den Aufbau einer Marke vorzuziehen, die langfristig relevant bleibt. So müssen sich die Marken insbesondere auf neue innovative, nachhaltige und hochwertige Produkte konzentrieren, die inhaltlich ansprechen und auf Kreativität ausgerichtet sind. “Die Unternehmen müssen zudem wieder mehr junge Menschen an Bord holen. Auch wenn diese Kundengruppe heute nur über eine begrenzte Kaufkraft verfügt, hat sie einen starken Einfluss auf den Markt und sie bildet die Basis der Luxuskundschaft von morgen”, erinnert Claudia D’Arpizio.
Mit der Erneuerung der Kreativdirektoren der meisten Modehäuser kommt eine Revolution in Gang. Diese geht mit einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Managements einher, mit der Ankunft neuer Führungskräfte und Teams. Das Jahr 2025 zeichnet sich daher als Übergangsjahr ab, sei es in Bezug auf den kreativen Wandel, die Sicherung der Rentabilität, die Entwicklung erschwinglicherer Produkte und die Gestaltung von Angebot und Preisen.
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