Von
Reuters
Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
20. Dezember 2024
Angesichts des starken Nachfragerückgangs in ihrem traditionellen Angebot – Handtaschen ab USD 3000 und Kaschmirjacken ab USD 4000 – setzen bedeutende Designer- und Luxusmarken auf eine größere Produktpalette. So erweitern sie ihr Angebot um Schals, Gürtel, Portemonnaies und Heimtextilien in der Preisklasse bis USD 500.
Der erneute Fokus der Marken auf erschwinglichere Produkte soll aufstrebende Kunden aus der Mittelschicht ansprechen. Doch die auf preisbewusstere Verbraucher ausgerichtete Strategie schmälert die normalerweise hohen Gewinnspannen der Unternehmen.
Über zwei Jahre lang zeigte die Preisentwicklung in der Luxusbranche steil nach oben – in Frankreich haben Chanel, Prada und Dior (LVMH) laut Wall-Street-Analysten von Bernstein die Preise für Handtaschen im Jahr 2023 im Vergleich zu 2020 um über 50 Prozent erhöht. Doch damit laufen Luxusmarken nun Gefahr, die Mittelschicht zu verprellen.
In den USA nahmen die Ausgaben der Kunden bei den führenden Luxusmarken im November im Vergleich zum Vorjahr um 6 Prozent ab, wie aus Kreditkartendaten von Citi hervorgeht. Ein eher düsterer Auftakt in die frühe Weihnachtssaison für LVMH, Kering und andere globale Anbieter von Designerwaren.
Kering-Tochter Gucci bietet in dieser Saison Dekorations- und Lifestyle-Geschenke wie eine Hundeleine für USD 440 und Haftnotizen mit dem Markenlogo für USD 200. Beim Haus Louis Vuitton, das zu LVMH gehört, umfasst das Geschenkeangebot im Online-Shop einen Kartenhalter für USD 360 und ein Monogram Double Spin Metall-Armband für USD 395. Burberry plant eine Umstellung des Flächenkonzepts, um sein Schal-Angebot hervorzuheben und den Verkauf von Kaschmirschals im Preisbereich von USD 450 bis 1050 anzukurbeln.
Kering und Richemont (Cartier) versuchen, ihre Parfüm- und Kosmetiklinien wieder in Eigenregie zu führen, während LVMH Cafés und Entertainment-Bereiche einrichtet, so Jonathan Siboni, CEO von Luxurynsight.
Nach der US-Präsidentschaftswahl vom 5. November “scheint die Nachfrage nach Luxusgütern fragil zu sein, insbesondere bei den aufstrebenden Kunden”, so die Analysten von Citi. Sie weisen auf die schwache Beschäftigungsquote im November hin, die auf eine zurückhaltende Einstellungspraxis in den USA zurückzuführen ist.
Das Fehlen dieser Verbraucherkategorie spiegelt sich in einem Rückgang der weltweiten Luxuskäufer um 60 Millionen auf 355 Millionen wider, so die Analysten von RBC. Als Hauptgründe für den Rückgang nennen sie den Inflationsdruck und das wachsende Interesse an Ausgaben für Erlebnisse statt für Produkte.
Laut dem Beratungsunternehmen Bain wird der weltweite Umsatz von Luxusgütern wie Kleidung, Accessoires und Schönheitsprodukten während der Feiertage bei konstanten Wechselkursen voraussichtlich stagnieren.
Bain prognostizierte bereits früher, dass der weltweite Umsatz mit persönlichen Luxusgütern in diesem Jahr um 2 Prozent sinken würde. Dies ist eines der schwächsten Ergebnisse seit Beginn der Aufzeichnungen, und zwar aufgrund der schrumpfenden Kundenbasis – insbesondere bei den preisbewussteren “Aspirational Shoppers”.
China ist einer der größten Märkte der Luxusgüterindustrie und war in den vergangenen Jahren deren Hauptwachstumsquelle. Durch die Immobilienkrise und die hohe Jugendarbeitslosigkeit brach die Nachfrage nach Luxusgütern zuletzt jedoch ein. Analysten von JPMorgan prognostizieren nach einem schwierigen Jahr 2024 eine “holprige” Entwicklung für die Branche, da die anhaltenden makroökonomischen Herausforderungen in China den Umsatz weiter belasten.
Vor diesem Hintergrund sind Luxusgüterkäufer besonders wählerisch. Sie wollen keine Produkte kaufen, die als “qualitativ minderwertig oder altmodisch” wahrgenommen werden, analysiert Caroline Reyl, Leiterin der Abteilung für Premiummarken bei Pictet Asset Management. Stattdessen können Marken durch Marketingkampagnen, eine Erweiterung der Angebotsbreite und die Verlagerung hin zu erschwinglicheren Produktkategorien punkten. “Bei unverändert hoher Qualität, nur preislich günstiger”, fügt Reyl hinzu.
Das Unternehmen Siboni analysiert Informationen auf den Websites der Marken und direkt von den Unternehmen. Im Vergleich zum Vorjahr stellt Siboni bei kleinen Lederwaren wie Brieftaschen im Verhältnis zu großen Handtaschen einen durchschnittlichen Anstieg um 8 Prozent fest.
Im November lag der Durchschnittspreis für Kleinlederwaren der LVMH-Marke Dior laut Daten von Luxurynsight 21 Prozent unter dem Vorjahreswert. Derweil hat das Haus Louis Vuitton den Anteil der Kleinlederwaren im Sortiment unter 500 Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9 Prozent erhöht.
Der Fokus auf preisgünstigere Produkte scheint zwar notwendig, um im Markt relevant zu bleiben, während aktuell mittelständige und selbst wohlhabende Käufer vor hochpreisigen Waren zurückschrecken. Doch dürfte er die aufgrund sinkender Umsätze bereits unter Druck stehenden Gewinnmargen von Akteuren wie LVMH und der Kering-Gruppe, zu der auch Balenciaga gehört, untergraben.
Ende Oktober erklärte Andrea Guerra, Vorstandsvorsitzende des Outperformers Prada, vor Analysten: “Wir versuchen, die Preisspanne zu erweitern”. Und der neue Burberry-CEO Joshua Schulman legte den Fokus bei der Vorstellung seines Sanierungsplans für das britische Luxuslabel auf die Erweiterung des Produktsortiments im Preiseinstiegssegment. Er wies darauf hin, dass die Preise “global zu hoch angesetzt” seien.
Der Branchenführer LVMH warnt jedoch vor dem Risiko, sich zu weit von der Marke zu entfernen, was der exklusiven Ausstrahlung eines Labels schaden könnte. CFO Jean-Jacques Guiony sagte, der Konzern werde keine neue Reihe “sehr erschwinglicher Produkte” einführen. “Ich denke, das wäre ein Fehler”, erklärte er im Oktober vor Analysten. Er betonte, wie wichtig es sei, das Angebot nicht mit einer ‘sehr kurzfristigen Sichtweise’ vollständig umzustellen.
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