Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
25. März 2025
Die 22. Ausgabe des International Talent Support (ITS), die am 20. März in Triest, im Nordosten Italiens, stattfand, stand unter dem Motto “Borderless” und zelebrierte mit ihren einfallsreichen und talentierten Finalisten pure Kreativität. Die 2002 von Barbara Franchin ins Leben gerufene Veranstaltung übernahm das im letzten Jahr erprobte neue Format, bei dem zehn Finalisten ausgewählt und mit dem “ITS Creative Excellence Award 10x10x10” ausgezeichnet wurden. Unter diesen Finalisten vergab die Jury eine besondere Erwähnung an den Briten Maximilian Raynor, der mit dem “ITS Jury’s Rewarding Honour” ausgezeichnet wurde. Ein weiterer Brite, Patrick Taylor, ehielt den “Modateca Deanna”-Preis und dem “Pitti Tutoring & Consulting”-Preis.
Maximilian Raynor (26) stammt aus Derbyshire, lebt seit zehn Jahren in London und hat die Central Saint Martins School besucht. 2022 gründete er sein eigenes Label und begann damit, Prominente einzukleiden. Seine allererste Modenschau veranstaltete er mit Unterstützung des ITS im Februar dieses Jahres in London. Er begeisterte die Jury mit einer extravaganten und eklektischen Kollektion aus skulpturaler und edler Kleidung, die sich an verschiedenen Epochen orientiert.
“Ich stelle mir meine Kleidung wie die Kostüme für die Charaktere in einem Film, einer Theateraufführung oder einem Buch vor. Die Erzählung ist wesentlich für meinen kreativen Prozess”, erklärt der Designer, der genderfluide Mode als Manifest gegen die patriarchalisch geprägte Gesellschaft propagiert. Alles wird aus wiederverwerteten Stoffen hergestellt, die so zugeschnitten und verarbeitet werden, dass kein Abfall entsteht.
Maximilian Raynor, der bereits Erfahrungen bei JW Anderson gesammelt hat, kombiniert gekonnt Materialien wie zerrissenen Tweed, aus dem er große, ausgefranste Kleider mit übergroßen Schultern näht, Vichy-Stoffe, bei denen die verschiedenen Karogrößen in viktorianischen Kleidern aufeinanderprallen, übergroße Strickwaren, denen er durch das Anbringen von Glöckchen eine klangliche Dimension verleiht, oder Leder, das er in einen langen roten Militärmantel mit Nieten verwandelt.

Der in London geborene Patrick Taylor (25) reiste mit seiner Familie durch Asien, von Singapur bis Dubai, bevor er sich in New York niederließ, wo er sein Studium an der Parsons University abschloss. Als leidenschaftlicher Textil- und Strickwarenliebhaber vereint er die Welt der Strickwaren und des Sports in einer fröhlichen Kollektion mit stark innovativen Formen. Er ließ sich von seiner Kindheit und den Outdoor-Aktivitäten inspirieren, die er mit seinen Geschwistern unter der Anleitung seines sportbegeisterten Vaters ausübte.
Insbesondere konzentrierte er sich auf das Skifahren und Segeln, deren Haltung und Bewegung er durch verspielte Kleidung mit einem Hauch Nostalgie nachzuahmen versuchte. Die Farbpalette orientierte sich dabei an den etwas verblassten Tönen alter Familienfotos. Alle Teile dieser Kollektion sind gestrickt, hauptsächlich aus Merinowolle, darunter ein Paar Jeans aus Baumwollgarn mit einer Denim-Textur. “Ich habe am Komfort gearbeitet, aber auch den Performance-Aspekt berücksichtigt”, verrät der Designer.
Er entwarf Strick-T-Shirts mit weiten Ärmeln, die auf der rechten Körperseite breiter sind und eine spiralförmige Bewegung annehmen, als ob sie vom Wind im Segelboot aufgeblasen würden, oder Hosen mit voluminösen Knien, die die typische Haltung eines Skifahrers imitieren. Diese “klare und präzise Vorstellung von Männermode, die von Freude durchdrungen ist”, beeindruckte die Jury ebenso wie die gemütlichen und begehrenswerten Accessoires, die Patrick Taylor entworfen hatte.

Weitere Finalisten der 22. Ausgabe waren die Französin Macy Grimshaw, die Papierkleider wie echte Kunstwerke herstellte und den Swatch- und Fondazione Sozzani-Preis gewann, und der Chinese Zhuen Cai, der mit seinen traditionellen Handwerkstechniken und einem zirkulären Ansatz das mit 5.000 Euro dotierte Stipendium der Camera Nazionale della Moda Italiana gewann.
10 Finalisten erhalten ein Stipendium
Ebenfalls unter den Finalisten war die Belgierin Gabrielle Szwarcenberg, die mit dem Preis Vogue Eyewear part of EssilorLuxottica ausgezeichnet wurde. Ihre sehr innovative Kollektion, sowohl in Bezug auf die Formen als auch auf die Texturen, die Stoffe und verschiedene Papierarten miteinander verschmelzen, beeindruckte die Jury. Ausgangspunkt der Designerin waren verschiedene Modelle von Papierflugzeugen, die in sehr originelle Kleidungsstücke verwandelt wurden.
Zu den Finalisten gehörten auch die Chinesen Cindy Zhaohan Li, Qianhan Liu und Yifan Yu, die ein Preisgeld von 7. 000 Euro von der Ferragamo-Stiftung erhielt, die Französin Naya El Ahdab, die von Wrad mit einem zweitägigen Besuch bei innovativen Textilunternehmen in Italien bedacht wurde, und die Deutsche Mijoda Dajomi, die an riesigen, mit Wax beschichteten Baumwollhüten arbeitete, die große Mengen Regenwasser aufnehmen können, mit denen sie auf den Klimawandel und die Dringlichkeit des Augenblicks aufmerksam machen will.
Alle zehn Finalisten erhielten ein Stipendium von 10.000 Euro, einen zehntägigen Aufenthalt in der ITS Arcademy, einem Kreativzentrum, Archiv und führenden Museum für zeitgenössische Mode, und eine zehnmonatige Ausstellung ihrer Kreationen an diesem Ort sowie einen eintägigen Besuch und eine Schulung bei Renzo Rossos italienischem Modekonzern OTB. Den ITS Fashion Film Award erhielt Meret Olympia Salome Baer vom Royal College of Art in London für ihren Modefilm “Lactic Acid”.
“Wir haben auf die Modenschau verzichtet und stattdessen allen Finalisten ein Stipendium gegeben. Es sind zwar weniger, aber sie gehen alle mit 10.000 Euro nach Hause. Dieses neue Format stellt einen echten Paradigmenwechsel für einen Modewettbewerb dar. Es gibt nicht mehr die Spannung des Wettbewerbs. Wir geben ihnen stattdessen die Möglichkeit, zusammenzuarbeiten und sich durch die Workshops und Treffen, die wir während der zehn Tage organisieren, zu bereichern”, sagt Barbara Franchin.
Zu den Trends, die sich beim diesjährigen Wettbewerb abzeichneten, gehörte das psycho-physische Leiden und die Art und Weise, wie es durch die Schaffung von Kleidung in reaktiver und vitaler Form verarbeitet werden kann. Das zeigten die anregenden Kollektionen von Naya El Ahdab, die seit ihrem ersten Lebensjahr ihre Beine nicht mehr benutzen konnte, und Macy Grimshaw, die versuchte, den Gedächtnisverlust ihrer an Alzheimer erkrankten Großmutter in Papiermodelle umzusetzen. “Was früher in unserem Inneren blieb, wird nun zu einem Thema, das man nach außen tragen kann. Das ist ein sozialer Fortschritt”, schloss die ITS-Gründerin.
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