Veröffentlicht am
11. Juni 2025
Mit den Fashion Talks und dem tags drauf anschließenden, vierstündigen Modespektakel der Royal Academy of Fine Arts 2025 hat Antwerpen in der vergangenen Woche seinen Status als Modemetropole glanzvoll unterstreichen können. Erstmalig fand das Konferenz- und Showroom-Format dabei im Sommer statt. Das Profil der kleinen Modewoche wollen die Macher vom Flanders DC (District of Creativity) ab 2026 noch weiter ausbauen.
Künftig sollen die Fashion Talks nicht mehr alle zwei Jahre, sondern jährlich zusammen mit den Abschlussschauen der Akademie im Juni stattfinden. Die Belgian Fashion Awards werden künftig jeweils im Herbst stattfinden, wie Pascal Cools, Managing Director des Design-Verbands, auf der Bühne des Arenberg Theaters bekannt gab. Die Awards sollen dann weiterhin wechselweise in Antwerpen und Brüssel vergeben werden.
Beim sogenannten Fashion Walk, einem Parcours durch die gesamte Stadt entlang temporärer Showrooms Antwerpener Designer, gab es tags drauf dann gleich drei Entdeckungen aus der DACH-Region zu machen: der gebürtig aus Tübingen stammende Designer Marcel Sommer, Florentina Leitner aus Wien und die 1996 im oberbayerischen Schrobenhausen geborene Taschen- und Accessoire-Designerin Marie Bernadette Woehrl.
Alle drei Designer haben sich ganz bewusst für Antwerpen entschieden und schätzen den kreativen Geist und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der dortigen Modeszene. In den kommenden Wochen stellen wir die Designer noch in ausführlichen Porträts vor.

Aber was haben wir nun von den Fashion Talks 2025 gelernt? „Die Modebranche ist die Branche, die die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes am nächsten berührt, und das wird sich auch nie ändern“, sagte Pascal Cools, Managing Director von Flanders DC, in seiner Rede bei der siebten Ausgabe der Fashion Talks, die erstmals nicht in der ehrwürdigen Handelsbeurs, sondern im Theater in der Arenbergstraat stattfanden.
Rund 450 Branchenvertreter waren gekommen. Auf der Bühne sprachen u.a. Patta-Mitbegründer Guillaume „Gee“ Schmidt mit Moderator Dominique Nzeyimana sowie die legendäre Stylistin und Kreativdirektorin Karen Binns mit Podcasterin Recho Omondi über ihre Werdegänge.
Simon Gryspeert von Flanders DC sprach mit den Mode-CEOs Ann Claes (CRG) und An Kluft (Pluto) über bedrückende Eindrücke einer Ghana-Reise, wo tonnenweise von Alttextilien auf zum Großteil wilden Mülldeponien landen.
Neben den Herausforderungen in der Lieferkette und den allgegenwärtigen Fragen rund um mehr Nachhaltigkeit bei Produktion und Konsum, standen auch mediale Themen im Fokus des Fashion-Talks-Programms. So ging es auch um den Einstieg in die Branche als Influencer und Content Creator und das bekanntlich angespannte Verhältnis dabei zu den klassischen Modemedien.

Mit Hanan Bešović hatte der Flanders DC dafür den passenden Kandidaten auf der Bühne. Bešović und sein folgenswerter Instagram-Kanal @ideservecouture gehören längst zu BoF’s 500, obwohl der gebürtige Kroate erst 2020 während der Pandemie mit seinen, teils bissigen Modekommentaren gestartet ist.
Das hat ihn auch auf manche Black List bei Designern und Luxusmarken gebracht. Doch damit könne er leben, wie er den Kuratorinnen Elodie Ouedraogo und Elspeth Jenkins vor vollem Haus auf der Arenberg-Bühne berichtete.
Zur Mode sei er 2010 über Youtube-Videos gekommen. Die erste Show, die er je gesehen habe, war Alexander McQueen mit „Platos Atlantis“. Und das damals auch nur, weil am Ende die Premiere von Lady Gagas „Bad Romance“ anstand.
Nun hatte er Blut geleckt: Marc Jacobs, Olivier Rousteing, Jean Paul Gaultier und John Galliano für Dior landeten auf seinem Bildschirm. „Ich wusste nicht viel über die Designer und Marken. Ich wusste nur, dass es sie gibt, aber nicht, dass sich hinter jeder eine Geschichte verbirgt.“

Seine erste Live-Erfahrung habe er bei einer Couture-Show von Valentino in Venedig 2022 gemacht. „Es gibt eine Legende, dass bei Valentino-Shows mindestens eine Person weint, und in diesem Fall war ich diese Person.“
Die Arbeit als Content Creator sei diametral entgegengesetzt zu Print-Medien. „Ich gehe einfach hin und rede.“ So konnte Bešović sich nicht verkneifen anzudeuten, dass Printmedien ein Glaubwürdigkeitsproblem hätten, da es immer Verträge mit Werbetreibenden gebe, die eingehalten werden müssten. „In der Vogue liest man keine ehrliche Kritik. Wenn ich eine ehrliche Meinung zu einer Show hören will, schaue ich in den sozialen Medien nach.“ Dennoch hat selbige Vogue ihn schon groß in einem Interview gefeatured. So kann’s gehen.
Aber sind Influencer nicht noch stärker den Marken verpflichtet? Bešović sagte, er werde immer seine Meinung sagen. „Ich habe keine Angst. Marken müssen mich nicht zu ihren Shows einladen. Ich habe WLAN zu Hause, also sehe ich mir die Show trotzdem an.“

Marken würden oft Drehbücher bereitstellen, wenn sie mit Influencern an bezahlten Inhalten arbeiten. „Ich verstehe ihre Perspektive, aber niemand kennt meine Inhalte besser als ich. Ich weiß, was funktioniert, und ich arbeite tendenziell besser mit Marken zusammen, die mich verstehen.“
Printjournalisten hätten zudem besseren Zugang zu Informationen als Influencer. „Bei einer Show sind 700 Leute, aber vielleicht nur zehn, die hinter die Kulissen gehen und mit dem Designer sprechen können.“ Gleichzeitig zeigen uns soziale Medien viel mehr als traditionelle Medien es je taten. „Ohne soziale Medien würden wir Robert Wun oder Benchellal nicht kennen.“
Bešovićs Empfehlungen für angehende Content Creator klangen dennoch für jeden Medienschaffenden brauchbar: „Mach, was dir gefällt. Folge nicht anderen; gehe deinen eigenen Weg. Recherchiere anders und gehe dorthin, wo sonst niemand hingeht.“

Für Hanan Bešović ging es dann später nochmal zurück auf die Bühne der Arenberg Schouwburg, um Charlotte De Geyter (Mitbegründerin und Kreativdirektorin des Womenswear-Labels Bernadette Antwerp) für den Abschluss der Fashion Talks zu interviewen.
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