Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
18. April 2025
Bulgari zementiert seine Position. Das 2011 für EUR 4,3 Milliarden von LVMH übernommene Luxusunternehmen aus Rom plant im norditalienischen Valenza, im Herzen der italienischen Goldschmiedeproduktion “die weltgrößte Schmuckmanufaktur einer einzigen Marke”. Vor knapp acht Jahren eröffnete das Haus am selben Standort bereits “die größte Schmuckmanufaktur Europas”. Das Gelände umfasst drei Gebäude, die zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden, und soll bis 2029 500 neue Arbeitsplätze schaffen.
Der Standort wurde am 16. April feierlich eingeweiht. Die weitläufige Struktur verfügt über zwei Stockwerke (zuzüglich ein Erd- und ein Untergeschoss) und erstreckt sich insgesamt über 33.000 Quadratmeter inmitten der piemontesischen Landschaft. Die mit schwarzen und goldfarbenen Platten verkleidete Fassade erinnert die Besucher unmissverständlich daran, dass sie die Welt von Bulgari betreten. Am Haupteingang sind die emblematischen Stücke des Hauses zu sehen, während großformatige Bilder der schönsten Kreationen und Kampagnen die langen Flure schmücken. Hier und da gewähren kleine Fenster Einblick in die Ateliers.
Ursprünglich verfügte das seit 2013 von Jean-Christophe Babin geleitete Unternehmen über zwei alteingesessene Manufakturen in der Region. Sie waren im Laufe der Jahre von Zulieferern aufgekauft worden und lagen weit voneinander entfernt. 2017 beschloss der Juwelier, sein gesamtes Know-how unter einem Dach zu vereinen.
Die Manufaktur schien bei ihrer Eröffnung außergewöhnlich groß. Doch angesichts des rasanten Wachstums von Bulgari, dessen Umsatz laut Analystenschätzungen im Jahr 2023 EUR 3,6 Milliarden erreichen dürfte, erwies sie sich schnell als zu klein. Bereits 2020 keimte die Idee, den Standort zu vergrößern. Ende 2022 wurde ein umfangreicher Ausbauplan angekündigt. Zu den 2017 eingeweihten 14.000 Quadratmetern sollten zwei neue Gebäude mit einer Fläche von 19.000 Quadratmetern hinzukommen.
Das Projekt wurde dem italienischen Architekturbüro Politecnica anvertraut. Die futuristische Architektur des Standorts gliedert sich um ein zentrales Gebäude, das über Außenbrücken mit den Produktionseinheiten verbunden ist – auf der einen Seite mit der ersten Fabrik und auf der anderen Seite mit dem zweiten Produktionsstandort. Die beiden Gebäude sind um einen zentralen Innenhof herum angeordnet.
Wer die beiden Produktionsstätten betreten will, wird streng kontrolliert. Ausweis, Metalldetektor, Sicherheitspersonal. Der Produktionsbereich ist unterteilt in Abteilungen für die Herstellung der Metallkomponenten – zwischen 6 und 7 Millionen pro Jahr –, Büros wie beispielsweise die Qualitätskontrolle und rund zwanzig Werkstätten, in denen die Schmuckhandwerker an gut beleuchteten Werkbänken mit Mikroskopen oder Lupenbrillen arbeiten. In Valenza werden jeden Monat “zehntausende Schmuckstücke” hergestellt.
“Das Gebäude umfasst Fertigungsinseln mit jeweils 20 bis 25 Juwelieren, wobei jede Insel beinahe die gesamte Herstellung eines Produkts übernimmt. Jedes Team hat eine umfassende Verantwortung und funktioniert ähnlich wie die Werkstatt eines eigenständigen Unternehmens. Doch ist sie mit einem ganzen Logistiksystem für Komponenten, Materialien und Prozessen vernetzt, das allen Inseln gemeinsam ist”, erklärt der CEO im Gespräch mit FashionNetwork.com. Eine der Fertigungsinseln widmet sich ausschließlich der Herstellung der Haute-Joaillerie-Stücke der Alta-Gamma-Kollektion, doch Unikate werden in der Haute-Joaillerie-Werkstatt in Rom gefertigt.
Das Hauptgebäude umfasst “Restaurants, den gesamten Freizeitbereich sowie zwei Schmuckschulen”. Die Bvlgari Academy bietet seit 2017 ein hochspezialisiertes Programm für neue Mitarbeitende an. Das Angebot ist auf die handwerklichen Techniken der Marke ausgerichtet. Darüber hinaus wird mit der Scuola Bvlgari eine neue Ausbildungsstätte eingerichtet. Sie öffnet ihre Türen im kommenden September und bietet Platz für 80 Studierende pro Jahr. Es handelt sich um “die erste öffentlich zugängliche Ausbildungsstätte in diesem Bereich und die erste, die jemals in einer Schmuckproduktionsstätte eingerichtet wurde”, betonte das Label.

Die Ausbildungsstätten verfügen über eine Fläche von 1.000 Quadratmetern im zentralen Gebäude, dem neuralgischen Zentrum des Projekts. Die Schule wurde in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungszentrum für Goldschmiedekunst des Centro Orafo Il Tarì in Marcianise bei Neapel (TADS – Tarì Design School) entwickelt und wird auch gemeinsam geleitet. Erklärtes Ziel ist es, alle Kompetenzen und das gesamte Know-how dieser Branche weiterzugeben und die Studierenden sowohl in traditionellen Fertigungstechniken als auch in den innovativsten neuen Technologien auszubilden.
“Wir führen also parallel zwei Ausbildungsstätten, um bis zu 150 Personen pro Jahr ausbilden zu können. Insgesamt werden in dieser neuen Einheit 900 Arbeitsplätze geschaffen, wovon 400 heute bereits bestehen. Wir werden also bis 2029 500 neue Kunsthandwerker einstellen”, erklärt Jean-Christophe Babin. Er verweist darauf, dass die Belegschaft der Manufaktur in Valenza von 370 Mitarbeitenden im Jahr 2017 auf heute 1.128 gewachsen ist. Das Personal stammt aus 31 verschiedenen Ländern, 55 davon sind Frauen und das Durchschnittsalter liegt bei 39 Jahren.
“Unsere Produktionskapazität wird sich bis 2029 verdoppeln, und im Vergleich zu 2017 gar vervierfachen. Die Belegschaft macht im selben Zeitraum von 2017 bis 2029 ein Wachstum von 370 auf 1.600 bis 1.700 Mitarbeitende durch. Damit werden wir netto mehr als 1.200 Arbeitsplätze geschaffen haben, was für einen Pool von 6.000 Fachkräften, wie wir ihn in Valenza haben, sehr bedeutend ist”, fügt er hinzu.
Neben Bulgari haben sich auch andere Juweliere in Valenza niedergelassen. Die Richemont-Tochter Cartier hat vor Kurzem eine Fabrik in Turin eröffnet und selbst ein bedeutendes Produktionsprojekt in dieser Hochburg der italienischen Schmuckherstellung gestartet. Weiter hat auch der italienische Juwelier Damiani einen Standort in der Region.

In Valenza werden die Schmuckstücke je nach Fertigungsart sowohl mit traditionellen Methoden als auch mit industriellen und modernen Verfahren hergestellt. Dabei kommen häufig hochentwickelte CNC-Maschinen zum Einsatz, die auch in der Schweizer Luxusuhrenindustrie verwendet werden, oder auch 3D-Drucker. Im Gebäude dominieren Bildschirme das Bild, die sowohl als Bedienfelder zur Überwachung der Maschinen als auch zur Kommunikation mit den Mitarbeitenden dienen. Diese muten zuweilen futuristisch an. So werden die Mitarbeitenden beispielsweise dazu aufgefordert, am “Ideenprogramm” teilzunehmen, einer Art Ideenwettbewerb zur “Minimierung des Abfalls in der Verarbeitung wertvoller Materialien”. Etwas weiter versorgt ein Automat die Kunsthandwerker mit Werkzeugen.
“Valenza ist auf den sogenannten Alltagsschmuck spezialisiert. Es handelt sich um Schmuck, der ausschließlich aus Edelmetallen gefertigt wird, oft mit Diamant-Pavé, Hartsteinen, kleinen Saphiren und Rubinen, in der Preisspanne von 2.000 bis 80-90.000 Euro. Oberhalb dieser Preisklasse beginnt die Haute Joaillerie, die in Rom hergestellt wird”, erklärt Jean-Christophe Babin.
Ziel ist es, einen Teil der Produktion, der in den letzten Jahren aufgrund mangelnder Kapazitäten ausgelagert wurde, wieder intern zu übernehmen. Auch bestimmte zuvor vollständig ausgelagerte Tätigkeiten wie das Edelsteinfassen sollen wieder integriert werden. Jean-Christophe Babin möchte, dass das Unternehmen alle Abläufe genau kennt und diese zumindest teilweise intern ausgeführt werden, damit Bulgari sein fundiertes Wissen im Bereich der Schmuckherstellung weiter ausbauen kann.
Der neue Bulgari-Standort in Valenza zeichnet sich auch durch seine nachhaltige Gestaltung aus. Die Gebäude wurden mit innovativen Technologien und umweltfreundlichen Materialien konzipiert und mit der LEED-Gold-Zertifizierung (Leadership in Energy and Environmental Design) ausgezeichnet. Es handelt sich um einen sehr strengen Standard für nachhaltiges Bauen. “Es ist auch die erste und einzige Manufaktur weltweit, die zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird, die zudem zur Hälfte von uns erzeugt werden”, betont Jean-Christophe Babin.

Auf Feldern rund um den Standort herum wurden hundert Erdsonden bis zu 200 Meter tief in den Boden gebohrt, während mehr als 4.100 Photovoltaikmodule auf den Dächern des Hauptgebäudes und der Parkplätze installiert wurden. Damit deckt das Unternehmen 50 Prozent des Energiebedarfs der Produktionsstätte. “Die andere Hälfte stammt von anderen Feldern, deren Besitzer wir bei der Ausstattung mit Erdwärmesonden und Solarzellen unterstützt haben. Von ihnen kaufen wir die Energie, die wir benötigen, damit 100 Prozent der am Standort verbrauchten Energie lokal und vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt”, erklärt der Manager.
Zur Förderung der Artenvielfalt forstet Bulgari außerdem ein zusätzliches 8.000 Quadratmeter großes Grundstück mit einheimischen Baumarten auf. Weiter richtet das Unternehmen Freizeitbereiche für seine Mitarbeitenden und die Einwohnerinnen und Einwohner von Valenza ein. Und schließlich wurden in Zusammenarbeit mit einem Imker zehn Bienenstöcke vorgesehen, die rund eine Million Bienen beherbergen.
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