Veröffentlicht am
14. Juli 2025
Wissen ist auch Macht, wenn es um die Gestaltung einer nachhaltig ausgerichteten Modeindustrie geht. Das hatten Armedangels zuletzt auf besondere Weise mit einer Wikipedia-Kollektion aus speziell recycelter Baumwolle unterstrichen. Jedes Stück in der Kollektion zeige, dass Mode Werte vermitteln und eine Kraft für den Wandel sein kann, hatte das Kölner Fair-Fashion-Label dazu erklärt. Die Kollektion für Frühjahr/Sommer 2026 trägt den Titel „Radical Simplicity“. Neben dem bereits bekannten Detox-Denim haben Armedangels hier erstmals auch plastikfreie Outerwear aus Tencel-Lyocell im Gepäck. Grund genug für ein erneutes Gespräch mit Creative Director Christiane Bördner über Fortschritt, Stil und Haltung, transparente Lieferketten, das Shopping-Verhalten der Gen Z sowie ihre Meinung über die Regularien seitens der französischen Regierung zur Beschränkung von Ultra Fast Fashion.
FashionNetwork.com: Frau Bördner, die Schauen- und Order-Saison ist in vollem
Gang. Im vergangenen Jahr haben wir zu diesem Zeitpunkt über die unnötige
Opposition von fair produzierter und konventioneller Mode gesprochen. Geht es da
aus Ihrer Sicht voran? Oder besser: Gibt es Hoffnungsschimmer?
Christiane Bördner: Es gibt mehr als Hoffnung, es gibt Bewegung. Und das ist auch dringend nötig. Die künstliche Trennung zwischen „fair“ und „modisch“ war nie sinnvoll, sie hat nur geholfen, Verantwortung als Kompromiss zu framen. Zum Glück kippt dieses Narrativ.
Immer mehr Menschen, Konsumeierende wie Brands, begreifen: Nachhaltigkeit ist
kein Verzicht, sondern Fortschritt. Und Stil braucht Haltung. Bei Armedangels setzen
wir auf radikal transparente Lieferketten, Produkte mit Substanz und Kollektionen, die
zeigen, dass zeitgemäße Fashion mit Impact kein Kompromiss sein muss. Also ja, da tut sich was und gleichzeitig stehen wir erst am Anfang, denn echte Veränderung braucht mehr als Lippenbekenntnisse: sie braucht Marken, die laut für das Richtige stehen. Wir wollen dazugehören.
FNW: Ist es aus Ihrer Sicht ein Ansatz, dass die Politik per Gesetzgebung eingreift?
Beispielsweise die Einfuhr von „Ultra Fast Fashion“ unterbindet oder ev. sogar
preisregulierende in die Märkte eingreift? Mich wundert es immer mehr, mit welcher Selbstverständlichkeit Teenager oder sogar Kinder tütenweise Textilien shoppen. Als ich zur Schule ging, haben wir auf ein einzelnes T-Shirt noch gespart.
CB: Dass Jugendliche heute anders konsumieren als wir damals, das stimmt, aber nicht alle in
dieselbe Richtung. In meiner Bubble sehe ich beides: Es gibt nach wie vor Konsum im
Überfluss und gleichzeitig greift meine Tochter beispielweise viel bewusster zu Vintage.
Das zeigt: Der Wille zur Veränderung ist da, er braucht etwas Unterstützung.
Genau deshalb ist politisches Eingreifen richtig und wichtig. Deutschland hat mit dem
Lieferkettengesetz erste Verantwortung eingefordert. Frankreich geht mit dem Gesetz
gegen Ultra-Fast Fashion mutiger voran, mit Werbeverboten und Umweltabgaben auf
Kleidung, die unter prekären Bedingungen und mit massiver Umweltbelastung produziert
wird.
FNW: In wie fern?
CB: Weil das ist das eigentliche Problem ist: Nicht das T-Shirt an sich, sondern der Prozess
dahinter. Wenn Kleidung unter unfairen Löhnen, in gefährlichen Arbeitsumfeldern und mit
enormem Ressourcenverbrauch hergestellt wird, damit es nach zweimal Tragen im Müll
landet, dann ist das nicht nur ein Umwelt- und Menschenrechtsproblem, sondern auch ein
kulturelles. Deshalb begrüße ich jede Regulierung, die diesen Wahnsinn bremst. Und gleichzeitig
wissen wir: Verbote allein reichen nicht. Es braucht Aufklärung, Alternativen und Marken,
die echte Transparenz und bessere Lösungen bieten. Genau das ist unser Anspruch: Verantwortung sichtbar machen und eine neue Lust auf bewusstes Konsumieren wecken.

FNW: Die Spring-Kollektion von Armedangels für 2026 folgt dem Prinzip des Radical Simplicity: Was genau verbirgt sich dahinter?
CB: Radical Simplicity ist unser Weg, dem Lärm der Modeindustrie etwas entgegenzusetzen.
Mit Klarheit, Reduktion und Haltung sagen wir nicht „weniger Mode“. Wir sagen: weniger
Überfluss, mehr Bedeutung. Unsere Spring-26-Kollektion basiert auf den drei Säulen Calm, Casual und Contemporay. Das bedeutet: Eine reduzierte Farbpalette und eine AI inspirierte Barell Silhouette die sich durch die Kollektion zieht; Utility-, Sport- und College-inspirierte Styles zeitgemäß und alltagstauglich und dazu moderne Silhouetten und zukunftsfähige Materialien. Tencel-Lyocell oder unsere neue plastikfreie Outerwear definieren Simplizität neu.
FNW: Was ist Ihr persöliches Highlight der Kollektion?
CB: Besonders stolz sind wir auf unsere Un-Wasted-Capsule. Dabei haben wir recycelten
Pre- und Post-Consumer-Waste genutzt und ohne zusätzliches Färben double-faced
Sweatshirts, T-Shirts, und Kleider designed. Design for circularity: Weniger Farben, weniger Komplexität und gleichzeitig mehr Relevanz. Diese bewusste Reduktion hilft uns, Ressourcen zu schonen, die Wertschöpfungskette zu vereinfachen und Kleidung zu schaffen, die bleibt. Radical Simplicity ist unser Beitrag zu einer neuen Art des Konsums: ruhiger, fokussierter, nachhaltiger.
FNW: Sie arbeiten seit gut zwei Jahren mit dem kalifornischen Denim-Experten Jordan Nodarse zusammen? Wie läuft die Zusammenarbeit? Was waren die Learnings bisher?
CB: Die Zusammenarbeit mit Jordan ist extrem inspirierend. Er bringt eine enorme Expertise
für kreislauffähige und ressourcenschonende Denim-Entwicklung mit. Wir haben unsere
Materialauswahl reduziert, gemeinsam neue Wasch- und Färbetechniken getestet, zum
Beispiel Laser- und Ozonbehandlungen, um bisherige Standards zu hinterfragen und noch
umweltschonender zu produzieren. Ein Learning ist, dass Transformation Zeit braucht, in
Materialbeschaffung, in der Lieferkette, aber auch in der Kund*innen-Kommunikation.
Gleichzeitig sehen wir, dass konsequente Innovation beim Produkt Kern unserer DNA ist.

FNW: Ist die Verringerung eines ökologischen und sozialen Fußabdrucks in der
Denim-Produktion nach wie vor am größten?
CB: Zum Social Footprint kann ich so nichts sagen. Zum Carbon Footprint: Ja, der Trend geht
nach wie vor weiter, vor allem weil wir mehr recycelte Baumwolle und Lenzings Tencel
Refibra einsetzen. Dadurch senken wir den CO2-Abdruck pro Jeans weiter.
FNW: Ein großes Thema ist ‘Preloved Fashion’, früher mal etwas abschätzig
Secondhand-Mode genannt. Auch hier ist Armedangels mitten im Geschehen. Erst
im Mai 2024 haben Sie eine Kooperation mit der niederländischen Reparturplattform Mended gestartet. Wie läuft es da nach gut einem Jahr?
CB: Der Service ist sehr erfolgreich angelaufen: Mended hat kürzlich die 1.500ste Reparatur
an Armedangels-Kleidung durchgeführt. Das Interesse ist groß und viele Kund*innen
sind positiv überrascht, wie hochwertig die reparierten Teile aussehen. Auch für einen
Großteil unserer Gewährleistungsfälle hat sich der Service bewährt: wir reparieren, statt
Ersatzware zu schicken. Das spart Ressourcen und kommt bei unseren Kund*innen
hervorragend an.
FNW: Wenn Sie im privaten Bekanntenkreis gefragt werden: Was sind Ihre drei
Ratschläge für einen menschlicheren Modekonsum?
CB: Erstens weniger kaufen, dafür besser: Qualität statt Kurzlebigkeit, das spart Ressourcen und
Nerven. Zweitens Teile wertschätzen: pflegen, reparieren, lange tragen oder weitergeben. Ich mag das Prinzip des Erbens und Vererbens sehr. Kleidungsstücke, die Geschichten tragen, sind mir
viel lieber als alles Neue. Drittens das Innehalten. Sich vor dem Kauf ehrlich fragen: Brauche ich das oder ist es nur ein kurzer Impuls? Ich liebe Vintage und je nachdem, wie viel Zeit ich habe, gehe ich mit meiner Tochter gezielt auf die Suche nach einzigartigen Stücken. Denn am Ende geht’s bei Mode doch um eins: Persönlichkeit, nicht Besitz.
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