Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
6. Mai 2025
Am vergangenen Dienstag eröffnete die Pariser Marke den Reigen der internationalen Cruise Collections mit einer eleganten Show, die am Comer See im mythischen Hotel Villa d’Este stattfand. Auch ohne Designer war die Show am See vollgepackt mit juwelengeschmückten VICs, die aus zahlreichen Ländern eingeflogen wurden – ein Beweis für die nahezu berauschende Anziehungskraft von Chanel auf das reichste eine Prozent der Welt. Die Veranstaltung war eine Ode an den Filmstar-Chic und den italienischen Glamour – Inspiration bot die große österreichische Schauspielerin Romy Schneider, eine enge Freundin von Coco Chanel.
Dior, Gucci, Louis Vuitton und Max Max Mara werden in den nächsten fünf Wochen ebenfalls Laufstegshows an exotischen Orten veranstalten, aber Chanels Status als das herausragende Luxusmodelabel der Welt scheint gesichert zu sein.
Trotz der überzeugenden kommerziellen Präsentation von Resort-Kleidung und der Hommage an das italienische Kino und den Glamour der Filmstars hatte diese Kollektion wenig Richtungsweisendes an sich. Ein Grund, warum die Erwartungen an die Ernennung des hochtalentierten Matthieu Blazy zum erst vierten offiziellen Kreativdirektor im Hause Chanel so groß sind. Nach vier brillanten Jahren an der Spitze von Bottega Veneta in Mailand hat der 40-jährige Blazy Anfang April offiziell seine Arbeit am historischen Sitz des Hauses in der 31 rue Cambon in Paris aufgenommen.
Bruno Pavlovsky, Präsident der Modeabteilung und Präsident von Chanel, saß bei der Show am Dienstag strahlend zwischen Sofia Coppola und Lupita Nyong’o.

Im Vorfeld der Show gab es in den sozialen und etablierten Medien monatelang Kritik an den Preiserhöhungen, die Chanel im letzten Jahr angesichts der schwierigen Weltwirtschaftslage und des starken Umsatzrückgangs in der Luxusgüterbranche vorgenommen hatte.
Ein Standpunkt, den Pavlovsky vehement zurückweist. Er verweist auf die Qualität aller Chanel-Produkte, auf das Savoir-faire, die Verarbeitung und die Technologie, die bei der Herstellung von Prestigeprodukten auf höchstem Niveau zum Tragen kommen. Während seines Aufenthalts in Como nahm Chanel zahlreiche Redakteure mit, um einige der wichtigsten italienischen Hersteller zu entdecken, mit denen die Marke zusammenarbeitet, wie z. B. die brillante Seidenweberei und –druckerei Mantero.
FashionNetwork.com hat die Gelegenheit genutzt, um sich vor der Show mit Pavlovsky zusammenzusetzen und das Neueste von dem Mann zu erfahren, der für diese entscheidende neue Phase der 120 Jahre alten Marke verantwortlich ist, die nach wie vor wie keine andere für französisches Flair und Eleganz steht.
Fashion Network: Warum hat sich Chanel für eine Show in Como entschieden?
Bruno Pavlovsky: Es ist ein mythischer Ort, der für Chanel sehr gut funktioniert. Es ist ein Ort, an dem so viele Filme entstanden sind, ideal für das Thema dieser Kollektion. Letzte Woche erst wurde in der Villa gedreht! Und Coco Chanel liebte Italien, ein weiterer Grund, warum dieser Ort perfekt ist.
Der Zugang zur Villa d’Este ist tatsächlich sehr schwierig. Wir haben zwei Jahre für die Organisation gebraucht, da wir die ganze Villa für vier Tage gebucht haben. Aber ganz offen gesagt, die Terrasse ist für jeden Designer inspirierend.
FNW: Warum sind die Cruise-Kollektionen für Chanel so wichtig?
BP: Coco war die erste, die in den 20er Jahren eine Cruise Capsule für Amerikaner entwarf, die zu Kreuzfahrten in die Karibik aufbrachen. Karl war der erste, der eine Resort-Show inszenierte. Es ist ein außergewöhnlicher Moment, in dem eine Marke sich voll und ganz ausdrücken und sich von einem bestimmten Ort inspirieren lassen kann. Hinzu kommt die zeitliche Komponente. Die Kollektion kommt im November in die Boutiquen und bleibt bis Mai, sie ist leichter und farbenfroher, was Energie in unsere Läden bringt. Sie sorgt für einen weiteren magischen Moment.

FNW: Nicht jede Marke veranstaltet weiterhin Modenschauen, insbesondere keine Cruise Shows, und vor allem nicht inmitten eines Wechsels an der kreativen Spitze. Warum war es für Chanel wichtig, auch in der Zwischenzeit Schauen zu veranstalten?
BP: Das liegt daran, dass die Marke Chanel stärker ist als jeder einzelne Designer. Als Karl oder Virginie Viard unsere Designer waren, haben wir nie eine Kollektion ausgelassen. Denn das ist es, was wir sind. Es geht nicht nur darum, sich der Presse zu zeigen, sondern auch um unsere Beziehung zu unseren Kunden. Ich kann Ihnen sagen, dass wir noch nie so viel Konfektionsware verkauft haben wie heute. Die Kunden werden natürlich von den Designern, ihren Ideen und ihrer Energie beeinflusst, aber sie kaufen auch wegen des Produkts.
Wir machen diese Shows, um die Leute zum Träumen zu bringen. Ich glaube, manche Kunden wissen nicht einmal, wer genau unser Designer ist. Aber sie kennen Chanel und haben eine starke Vorstellung davon, was Chanel ist. Und das müssen wir bewahren. Deshalb sind wir sehr zufrieden, dass Matthieu hier ist – mit seinem Auge, seinem Talent und seiner Erfahrung zusammen mit der Expertise unseres Ateliers.
FNW: Warum hat Chanel in letzter Zeit in italienische Zulieferer investiert, z. B. in Mantero, an dem Sie gerade einen Anteil von 35 % erworben haben?
BP: Einer der Gründe, nach Como zu kommen, ist, dass es uns hilft, unser Ökosystem zu präsentieren. Wie die Seidenweberei Mantero. Es zeigt die Realität der Arbeit hinter dem Produkt – das Savoir-faire, die Hände und die Maschinen. Luxus gibt es heute nur noch dank dieser Arbeit. Ohne dieses jahrzehntelange Know-how könnte Chanel nicht den Luxus in seiner heutigen Form verkörpern. Die Ausbildung einer neuen Generation von Kunsthandwerkern ist unerlässlich. Außerdem geben diese Besuche in den Fabriken den Redakteuren die Möglichkeit zu verstehen, warum unsere Produkte so teuer sind – sie sehen die Technologie, das Können und die Zeit, die dafür erforderlich sind.
FNW: Und warum genau haben Sie 35 % von Mantero erworben?
BP: Wir haben über ein halbes Jahrhundert lang jedes Jahr mit Mantero zusammengearbeitet und gemeinsam außergewöhnliche Produkte entwickelt. Nun ist die Situation so, dass weder Lucia noch Franco Mantero Erben haben.

Daher war es angebracht, sich die Frage zu stellen: Was würde mit einer der besten italienischen Manufakturen geschehen, sollte sich morgen früh ein Unfall ereignen? Deshalb wollen wir präsent sein und helfen. Hier geht es nicht um Kontrolle. Um die außergewöhnliche Seide von Mantero herzustellen, sind sehr hohe Investitionen erforderlich. Wir können also dabei helfen, um zu gewährleisten, dass Mantero die besten Drucke herstellt, dabei weniger Strom verbraucht und die Umwelt weniger belastet, aber trotzdem Geld verdient.
Wir arbeiten mit 67 verschiedenen Lieferanten und Fabriken zusammen, und jede Marke und Familie hat ein bestimmtes Verhältnis zueinander. Viele arbeiten unabhängig von Chanel mit anderen Luxusmarken zusammen, und das ist gut so.
FNW: Vor allem in den sozialen Medien gab es eine Reihe negativer Reaktionen auf die Preiserhöhungen von Luxusmarken. Halten Sie das für unfair?
BP: Diese Beschwerden im letzten Jahr berücksichtigen nicht das Ökosystem der höchsten Qualität, das für die Herstellung unserer Chanel-Produkte erforderlich ist. Wir müssen auch garantieren, dass dieses Ökosystem in Zukunft existiert, was erhebliche Investitionen erfordert und erklärt, warum die Preise manchmal erhöht werden müssen.
FNW: Was sind Ihre Pläne im Hinblick auf Trumps Zollpolitik in den Vereinigten Staaten?
BP: Es gibt bereits Zölle. Für Konfektionsware sind es bereits 15 %. Es gibt keinen freien Austausch auf der Welt. Was für Chanel wichtig ist, sind die Kunden und die Harmonisierung der Preise. Es ist sehr schwer, die endgültige Situation vorherzusagen, aber die Angleichung der Preise wird weitergehen. Und man darf nicht vergessen, dass der Dollar im Moment stark geschwächt ist, so dass die Preise aufgrund des fallenden Dollars steigen werden.
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