Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
10. Februar 2025
Im schneebedeckten New York inszenierten zwei der wichtigsten Designer der Stadt – Anna Sui und Altuzarra – ausdrucksstarke Mode-Events. Eine Ode an die neue Sehnsucht nach einem raffinierten Maximalismus.
Anna Sui: Wilde Erbinnen
Anna Sui hätte wirklich ein Denkmal verdient, obwohl wir in gewisser Weise bereits einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht haben. Durch ihre Energie, ihre blühende Fantasie und die Tatsache, dass der Trend wieder zu ihrer Vorstellung von maximalistischem Downtown-Stil zurückgefunden hat, wirken Suis Entwürfe relevanter und ausdrucksstärker denn je.
Ihre Modenschauen sind klein, werden aber immer mit einem großartigen Gespür für das Besondere organisiert. Die jüngste Kollektion wurde in The Strand enthüllt – in New Yorks größter Secondhand-Buchhandlung – andere in winzigen Cocktailbars im Stadtviertel Lower East Side. An diesem Samstag lud uns Sui in den National Arts Club am Gramercy Park ein – ein sehr eleganter Ort für eine sehr elegante Kollektion.
Der Soundtrack stimmte sogleich auf das Geschehen ein: Rita Hayworth sang “Bewitched, Bothered and Bewildered”. Dann erschienen die Models wie schrullige, moderne Versionen von Hayworths Model-Freundinnen aus ‘Es tanzt die Göttin’.

Starfriseurin Pat McGrath sorgte für kunstvoll gestylte Locken und die Models trugen die Entwürfe mit sichtlicher Begeisterung. Das Gebäude, durch das sie marschierten, war ein charmantes Herrenhaus im viktorianischen gotischen Stil. Einst war es das Zuhause von Samuel J. Tilden, Gouverneur von New York und Verlierer der höchst umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 1876. Umstrittene Ergebnisse sind in der amerikanischen Politik nichts Neues.
Einleitend zeigte Anna Sui einige großartige Reitjacken und -hosen mit Tartan-Motiv für ‘milieugeborene’ Trägerinnen, kombiniert mit karierten Reitstiefeln. Die Designerin entwarf schicke, enganliegende Tweedanzüge, die stets mit einem Sinn für Humor gestylt wurden. Etwa mit Oberteilen im Leopardenmuster, sanften Zylinderhüten und Handtaschen.
Sie zeigte glitzernde smaragdgrüne Jacquard-Strickjacken, venezianische Streifenhemden und bronzefarbene Trompetenröcke mit Fortuny-Falten. Alles wild zusammengewürfelt, und doch passte irgendwie alles zusammen. Nicht zuletzt durch die hervorragenden Accessoires, von dreifarbigen Turnschuhen, die in Zusammenarbeit mit dem bewährten Partner John Fluevog hergestellt wurden, bis hin zu den hervorragenden katzenaugenförmigen Peggy-Guggenheim-Sonnenbrillen von Mondottica.
In Kunstnerz gehüllt gingen die Models sorgenfrei und unbeschwert an den Ölgemälden und der Mahagoni-Bar vorbei. Die Farbpalette war fröhlich – Magenta, kaiserliches Purpurrot, Karamell, Pflaume und Silber.
“Das ist meine wilde Erbin der Moderne”, erklärte Sui und bezog sich dabei auf Barbara Hutton, Doris Duke und Peggy Guggenheim. Sie verneigte sich zu minutenlangem Applaus und schien leicht überrascht durch die tosende Begeisterung des Publikums. Alle ließen sich von den Emotionen im National Arts Club mitreißen. Ein Raum voller Liebe.
Altuzarra: Sturmhöhe im Woolworth-Gebäude
Der einleitend gezeigte doppelseitige Kaschmir-Wickelmantel aus Joseph Altuzarras neuesten Kollektion sah aus, als wäre seine Trägerin gerade einem Sturm entkommen – wenn auch in eleganter Kleidung. Eine Anspielung an die Titelheldin, die die Show inspirierte.

Wie oft bei seinen Schauen hinterließ Joseph auf jedem Sitz einen in Baumwolle gehüllten Roman. In dieser Saison war es Emily Brontes großer romantischer Gothic-Klassiker “Sturmhöhe”. Die Heldin der Geschichte, Catherine Earnshaw, hätte diese Kollektion sicherlich geliebt.
Die alpinen Kaschmirpullover, schwarzen Reitstiefel, Jodhpur-Hosen, die fabelhaften Kapuzenmäntel und weichen Blousons wären ideal gewesen für die Moorlandschaft in North Yorkshire, wo “Sturmhöhe” spielt. Noch passender: Sie eignen sich perfekt für alle, die sich am Samstag in New York bei den Minusgraden auf die Straße trauten. Am brillantesten verkörperten die Lammfell-Umhänge mit tiefen Taschen, kombiniert mit passenden Stiefeln und Röcken, die Coolness des New Romantic-Trends in seiner schönsten Form. Genau geschnittene Pea Coats in Kombination mit bauschigen Bubble-Röcken waren der Höhepunkt der Eleganz, während zwei nietenbesetzte Abendkleider zum Abschluss stilvolle Raffinesse ausstrahlten.
Die gotischen Aspekte des Romans spiegelten sich in der Wahl des Standortes wider – das Woolworth-Gebäude und die berühmte Cathedral of Commerce, beide mit Terrakotta-Details und gotischen Wasserspeiern. Catherines Traum einer ewigen Romanze wurde durch viele halbtransparente und transparente Chiffon- und Satinkleider und Nachthemden angedeutet, die oft mit Blättern oder verwischten Küssen bedruckt waren.

“Sänfte und Verletzlichkeit im Kontrast zu offener Sexualität und Stärke. Ein vorzügliches Chaos”, lächelte der Designer hinter der Bühne.
Damit machte er ein großartiges zeitgenössisches Modestatement. Dazu schicke Schmuckstücke – organisch geformte Halsreifen und Halsketten – und coole Taschen, insbesondere seine mit Fransen und Nieten besetzte Origami-Tasche oder die Knot-Basket-Tragetasche aus Stroh und Wildleder.
Eine ideale Mischung aus Pariser Chic und Manhattans Energie – von einem Pariser, der New York zu seiner Heimat gemacht hat.
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