2025 bringt große Veränderungen für US-Luxushändler

Während sich in den USA das halbe Land gegen die neue Regierung “wappnet”, die radikale Veränderungen für Gesellschaft und Wirtschaft verspricht, beginnen große Luxus-Einzelhändler das neue Jahr mit einer Neudefinition ihrer Strategie.

Trotz der strengen Kartellaufsicht der Biden-Regierung – davon zeugt etwa die gescheiterte Fusion von Tapestry und Capri Holdings – konnte Saks Global die Übernahme der Neiman Marcus Group (NMG) für USD 2,7 Milliarden abschließen. Neiman Marcus und Bergdorf Goodman erweitern somit das bestehende Saks Fifth Avenue- und Saks Off Fifth-Portfolio.
 
Nordstrom wiederum gelang das geplante Delisting und das Unternehmen stimmte einem Buyout im Wert von USD 6,25 Milliarden durch die Familie Nordstrom und den mexikanischen Einzelhändler El Puerto de Liverpool zu.

Diese Veränderungen erfolgen in einer schwierigen Zeit für die Branche, die insgesamt in eine unsichere Zukunft blickt. Dies geht aus einer aktuellen McKinsey-Umfrage hervor. Während 20 Prozent der befragten Führungskräfte von einer Verbesserung der Lage ausgehen, erwarten 41 Prozent keine Veränderung und 39 Prozent rechnen mit einem weiteren Rückgang. Zu den Sorgenfaktoren für 2025 zählen für die Mehrheit das gesunkene Verbrauchervertrauen, die geopolitische Instabilität und wirtschaftliche Ungewissheit. Positiv zu vermerken ist, dass die Inflation nicht auf der Liste der Hauptsorgen steht, da sich die Zinssätze stabilisieren.
 
Die Marken versuchen, das Einkaufserlebnis in den Verkaufsstellen durch gut geschultes Personal zu verbessern und dabei insbesondere die oft übersehene Generation der über 50-Jährigen, die über ein hohes frei verfügbares Einkommen verfügt, nicht zu vergessen.
 
FashionNetwork.com sprach mit mehreren Persönlichkeiten der Modebranche über die möglichen Auswirkungen der Fusion von Saks und Neiman Marcus und des Delistings von Nordstrom auf Luxuskaufhäuser.
 
Gary Wassner ist CEO der Hilldun Corporation, einem führenden Factoring- und Finanzunternehmen, das mit Unternehmen wie Tommy Hilfiger, Betsey Johnson, Marc Jacobs, Alexander Wang, A.L.C., Golden Goose und Amiri zusammengearbeitet hat. Für Wassner signalisieren die genannten Veränderungen einen dringend benötigten Wandel. Zunächst bedeutet das Delisting von Nordstrom, dass das Unternehmen fortan Entscheidungen treffen kann, die nicht den öffentlichen Forderungen der Aktionäre unterliegen.
 
“Es gibt Änderungen, die das Unternehmen in den letzten Jahren vornehmen sollte oder wollte, was aber durch den Markt verunmöglicht wurde. Die strenge Überwachung durch die Aktionäre macht es schwierig, neue Strategien einzuführen, Marketingausgaben zu erhöhen, unrentable Geschäfte zu schließen und dabei vielleicht kurzfristig ein niedrigeres EBITDA zu erzielen”, sagte Wassner gegenüber FashionNetwork.com.
 
“Mit dem Going Private können sie tun, was sie für nötig halten, ohne die Kontrolle durch den Markt. Die Familie Nordstrom gehört zu den besten und erfolgreichsten der Branche. Ich bin zuversichtlich, dass wir nun eine dynamische Einzelhandelspräsenz sehen werden, und Innovationen und Veränderungen, die zuvor gedämpft oder erstickt wurden”.

Wassner geht davon aus, dass die Übernahme der NMG Saks eine dominante Position im globalen Luxus-Einzelhandelssektor verschaffen wird, was möglicherweise den Umfang der Mietflächen in Multibrand-Kaufhäusern reduzieren könnte. “Große europäische Konzerne geben ihre Politik vor, da sie die Luxusbranche dominieren. Ich hoffe, dass Saks Global angesichts der rückläufigen Luxusumsätze und der Enttäuschung der Verbraucher über die unverhältnismäßig steigenden Produktpreise seine Verhandlungsmacht zurückgewinnen kann”, sagte Wassner weiter.
 
“Mietflächen bei LVMH und Kering sind für diese Unternehmen großartig, aber sie verändern das Einkaufserlebnis der Kunden, wenn sie bei Saks einkaufen. Auf gemieteten Flächen sind die Verkaufsteams mit der Förderung der Marke beschäftigt, und nicht mit dem Image oder dem Einkaufserlebnis bei Saks. Die Marge, die Saks und Neiman’s mit gemieteten Verkaufsbereichen in Kaufhäusern erzielen, ist niedriger als im Großhandel von Markenprodukten. Wenn Marken in den USA vertreten sein wollen, da es sich wie vor um den größten Markt für Designer- und Luxusartikel handelt, müssen sie sich diesem veränderten Umfeld anpassen”, fuhr er fort.
 
Ähnlich wie bei den Arbeitsplatzsynergien im Lager wird die Fusion auch die Zahl der Führungskräfte verringern. Mark Metric, CEO von Saks Global, wird die Aufgaben von NMG-CEO Geoffroy van Raemdonck übernehmen, der das Unternehmen mit anderen leitenden NMG-Führungskräften bereits verlassen hat. Darcy Penick, Präsidentin von Bergdorf Goodman und Leiterin der Produkt- und Technologieabteilung der Neiman Marcus Group, ist zurückgetreten und wird durch Tracy Margolies, Chief Merchandising Officer von Saks, ersetzt. Auch Tiffin Jernstedt, EVP und Chief Communications Officer, hat das Unternehmen verlassen. In einem Social-Media-Post gab Jernstedt an, dass sie vor dem Verkauf die Imageaufbesserung von Neiman Marcus abgeschlossen habe.
 
“Durch die Zusammenlegung von Betriebsabläufen werden sie in vielen Bereichen effizienter arbeiten können. Logistik und Auftragsabwicklung sind Paradebeispiele für die Vorteile einer Fusion”, so Wassner. Er fügte hinzu: “Ich hoffe, dass die Einkaufsteams getrennt und eigenständig bleiben. Eine Sache, auf die der Einzelhandel verzichten kann, ist mehr Homogenisierung. Neiman’s und Bergdorf verkörpern den Gipfel des Luxus in den USA, was sie unter der Führung von van Raemdonck erfolgreich taten. Ich hoffe, dass die Verbraucher keinen Schaden tragen, sondern von besserem Merchandising, weniger Konkurrenz zwischen den beiden Unternehmen, mehr Vielfalt bei Produkten und Marken, durchdachten und organisierten Verkaufsrhythmen und einem besseren Kundenerlebnis profitieren können. Ich habe Saks während dieser Übergangszeit unterstützt, weil ich an das Management glaube und an seine Fähigkeit, etwas Besonderes für die Kunden und die Branche zu schaffen”.

Albert Varkki, Einzelhandels- und Einkaufsexperte und Mitbegründer der estnischen Luxuslederwarenmarke Von Baer, betrachtet das Einzelhandelsklima in den USA aus einer objektiven Perspektive. Er sieht in diesen Maßnahmen das Abbild einer Branche, die sich an einem Scheideweg befindet und sich an das veränderte Verbraucherverhalten anpasst.
 
“Die Veränderungen signalisieren eine strategische Verlagerung hin zu strafferen Luxus-Ökosystemen. Die Fusion von Saks und Neiman Marcus ermöglicht eine gemeinsame Bestandsverwaltung und E-Commerce-Infrastruktur, was für eine wettbewerbsfähige Positionierung auf Plattformen wie Farfetch genutzt werden kann. Die Privatisierung von Nordstrom könnte es dem Unternehmen ermöglichen, langfristige experimentelle Pläne zu verfolgen, die nicht durch den Druck der Aktionäre eingeschränkt werden. So kann das Unternehmen in Retail-Erlebnisse oder regional verwaltete Bestände investieren”, sagte Varkki gegenüber FashionNetwork.com.
 
“Andererseits zeigen diese Veränderungen die Herausforderungen auf, mit denen der traditionelle Einzelhandel konfrontiert wird. Es sind dies die hohen Betriebskosten und die Notwendigkeit, sich von riesigen Einzelhändlern wie Amazon oder Walmart abzugrenzen. Dies deutet nicht nur auf einen angeschlagenen Sektor hin, sondern auf einen Sektor, der sich neu erfindet. Der überlegt, was in Zukunft benötigt wird, wenn Exklusivität, Personalisierung und die Unkompliziertheit von Omnichannel-Erlebnissen den Erfolg bestimmen. Es geht mehr um den Wandel einer Branche, die innovativ bleiben muss, um das Vertrauen zu erhalten, und weniger um das Überleben”, fügte er hinzu.
 
Jeanel Alvarado, kanadische Marketing- und Einzelhandelsstrategin und Gründerin von RetailBoss.com, teilte ihre Sichtweise zum Nordstrom-Deal mit FashionNetwork.com. “Nordstrom hat im Laufe der Jahre die Orientierung verloren und Nordstrom Rack weiterhin Priorität eingeräumt, was in gewisser Weise zu Lasten der eigenen Marke Nordstrom ging. Ich hoffe, dass der Eigentümerwechsel Nordstrom mehr Kontrolle über die Ausrichtung der Marke gibt und sie zu ihrem ursprünglichen Erbe und ihren Wurzeln zurückführt”, sagte Alvarado.
 
Die Marke schloss 2023 alle Nordstrom- und Nordstrom-Rack-Verkaufsstellen in Kanada.
 
Die weitere Entwicklung des Einzelhandels im Jahr 2025 dürfte spannend bleiben. Die erwähnten Veränderungen könnten der Branche neue Impulse verleihen oder aber der letzte Versuch sein, alles zu geben. Wenn man bedenkt, dass Macy’s mit der Ankündigung der Schließung wichtiger Geschäfte in das neue Jahr startete, sind die Voraussetzungen alles andere als einfach.